12
Müller und Kempf, Photometrische Durchmusterung
12
sondern nahe in der Brennebene des Objectivs zu verschieben, und damit der Beobachter nicht ge
zwungen ist, eventuell das Ablesen der Scala und das Aufnotiren selbst zu besorgen, ist es rathsam,
eine Registrirvorrichtung anzubringen. Trotz der unleugbaren Vorzüge, die das Keilphotometer besitzt,
lassen sich aber auch gewichtige Bedenken gegen dasselbe erheben. Hierher gehört in erster Linie
die Schwierigkeit, Glas von vollkommen neutraler Färbung zu beschaffen. Wenn der Keil nicht alle
Spectralfarben gleichmässig absorbirt, so ist seine Anwendung auf die Messung verschieden gefärbter
Sterne nicht unbedenklich, und es bedarf in jedem Falle einer sorgfältigen Prüfung, bis zu welcher
Grenze die selective Absorption vernachlässigt werden darf. Die meisten der sogenannten Neutralgläser
zeigen, wenn man sie mit dem Spectroskop untersucht, ein starkes Intensitätsmaximum im Grün,
während im Gelb und Roth breite Absorptionsstreifen auftreten. Wir haben bei Gelegenheit der
Construction zweier Keilphotometer für das Potsdamer Observatorium, welche zur Fortsetzung der
Untersuchungen über die Extinction des Sternlichtes auf hohen Bergen bestimmt sind, eine sehr grosse
Zahl von Glassorten in Bezug auf selective Absorption geprüft und gefunden, dass keine den gestellten
Anforderungen genügte. Es fragt sich, ob überhaupt Glas von der gewünschten Eigenschaft herstell
bar ist, und es sind jedenfalls die Messungen sehr stark gefärbter Sterne mit dem Keilphotometer
nach Möglichkeit zu vermeiden. Ein zweiter wunder Punkt bei diesem Instrument ist die Bestimmung
der Absorptionsconstante. Abgesehen davon, dass diese Bestimmung durch Unregelmässigkeit in der
Form des Keiles und durch mangelhafte Homogenität des Glases unter Umständen bedenklich er
schwert sein kann, erfordert dieselbe die Anwendung anderer photometrischer Methoden, also entweder
Blenden vor dem Objectiv oder polarisirende Medien, oder verlangt wenigstens die Kenntniss der
Helligkeiten von bereits anderweitig bestimmten Normalsternen. Jeder Fehler in der angenommenen
Keilconstante macht sich um so fühlbarer, je grösser der gemessene Intensitätsunterschied ist, und
aus diesem Grunde empfiehlt es sich nicht, Sterne von sehr verschiedener Grösse mit einander zu
vergleichen. Ferner ist es ein empfindlicher Nachtheil, dass die Helligkeit des Himmelsgrundes bei den
Messungen mit dem Keilphotometer nicht vollständig eliminirt wird, und dass es infolge dessen
nicht immer gestattet ist, Beobachtungen an verschiedenen Stellen des Himmels mit einander zu ver
binden , insbesondere nicht bei Dämmerung oder Mondschein. Rechnet man zu den angeführten
Mängeln noch den Umstand, dass die Messungen das Auge ausserordentlich anstrengen, und dass die
Empfindlichkeit des Auges im Laufe der Beobachtungen wechselt, so dürfte alles gesagt sein, was
sich für und wider das Keilphotometer anführen lässt. Das Gesammturtheil könnte etwa dahin zu
sammengefasst werden, dass dieses Instrument für gewisse Aufgaben der Photometrie, namentlich wenn
es sich um die Vergleichung nahe bei einander stehender, an Farbe und Helligkeit nicht allzu ver
schiedener Sterne handelt, ein ganz vortreffliches Hülfsmittel ist, welches hinter keinem anderen
zurücksteht, dass aber seine Verwendung zu so ausgedehnten Beobachtungsreihen, wie sie eine Durch
musterung des Flimmels verlangt, weniger zu empfehlen ist. In dieser Beziehung ist dem Keilphoto
meter entschieden das von Pickering construirte Meridianphotometer überlegen, welches bei der
»Harvard Photometry« und der auf dem Cambridger Observatorium ausgeführten Revision der Grössen
der Bonner Durchmusterung Verwendung gefunden hat. Der grosse Vortheil dieses Instrumentes
besteht darin, dass direct zwei Sterne mit einander verglichen werden, aber nicht, wie bei dem Stein-
heil’sehen Prismenphotometer, ausserhalb des Focus, sondern in der Brennebene selbst und mit Be
nutzung von polarisirenden Medien. Die Sicherheit der Messungen ist eine sehr grosse, und das Auge
wird bei der Beurtheilung der Gleichheit zweier Lichteindrücke nicht in solchem Grade angestrengt,
wie bei dem Beobachten des Auslöschens; dagegen ist es ein Mangel, dass die beiden Sterne durch
verschiedene Objective betrachtet werden, und da ein Umwechseln nicht immer möglich ist, die Noth-
wendigkeit vorliegt, das Verhältniss der Lichtdurchlässigkeit der beiden optischen Systeme zu kennen.