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Die Auswahl des Beobachtungsplatzes.
genau geprüft. Auf mehreren Schlittentouren längs der Hauptstraße der Insel nach Süden
besuchten wir ferner die Gehöfte von Dahlen, den Bauernhof Stokka — beide genau auf der
Zentrallinie gelegen — und südlich davon Soevik und Horten, den Sitz des Sorenskrivers. Hier
bei wurden auch die nötigen Besuche bei letzterem sowie bei den anderen einflußreichen Per
sönlichkeiten auf der Insel abgestattet.
Für die Wahl des Beobachtungsplatzes war das Areal der ganzen Insel an sich wesentlich
gleich günstig. Die Totalitätsdauer ändert sich ja mit dem Abstande von der Zentrallinie
anfangs nur ganz unbedeutend. Es konnten also für die schließliche Wahl alle anderen Gründe
und örtlichen Vorzüge maßgebend sein.
Jedenfalls verdiente unter sonst gleichen Bedingungen ein Platz nahe dem Hafen Sand-
nessjöen, gegebenenfalls Sandnessjöen selbst, aus vielen Gründen den Vorzug. Schon aus
wirtschaftlichen und Bequemlichkeitsgesichtspunkten war ein längerer Transport der schweren
Instrumente unbedingt als ungünstig zu bezeichnen. Dazu kam, daß die technischen Hilfsmittel,
die Sandnessjöen in seinen Landhändlereien, seiner Werft, seiner kleinen Maschinenfabrik
oder besser Reparaturwerkstatt, die mit Diehbänken usw. ausgestattet ist, darbietet, sehr
wertvoll erscheinen mußten, und daß der Platz außerdem mit seinen drei Hotels — kleinen,
aber sauberen Gasthäusern — Wohnlichkeits- und Kulturwerte für uns besaß. Es schien
also unter diesen Umständen empfehlenswert, in unmittelbarer Nähe des Ortes selbst die Station
zu errichten. Hiergegen sprach aber mancherlei. Sandnessjöen liegt auf mehreren von NO
nach SW streichenden, scharf gefalteten Glimmerschieferrücken, die an vielen Stellen in den
Straßen und zwischen den Häusern zutage treten und deren Mulden mit blauem Gletscher
lehm ausgefüllt sind. Das Gebrauchswasser — eine Wasserleitung fehlt — ist humös und stark
eisenschüssig und daher für photographische Zwecke vollkommen ungeeignet. Die zahlreichen
Post- und Lokaldampfer im Hafen erzeugen zeitweise viel Qualm, und die unmittelbare
Nachbarschaft des ziemlich bevölkerten Platzes (etwa 500 Einwohner) ließ allerlei sonstige
Störungen erwarten. Auch schlechtere Luftverhältnisse durch die Nähe zahlreicher Häuser
und die Strahlung auf den vielfach kahlen Felsplatten und Rücken innerhalb des ziemlich
kupierten Terrains, auf dem der Ort liegt, waren zu befürchten.
Das geräumige Wohnhaus des Baumeisters Dahlen, 10km südlich Sandnessjöen, am Fuße
der kahlen und steil ansteigenden Felswände der Sieben Schwestern (1000 m) zwischen Busch
wald und sumpfigen Wiesen gelegen, wurde ebenfalls ursprünglich ins Auge gefaßt. Hier
hätten wir die Station in unmittelbarer Nähe des Hofes anlegen können. Fließendes, gut ge
eignetes Wasser findet sich direkt am Wohnhause. in dem Unterkunft und Verpflegung für
acht bis zehn Teilnehmer angeboten wurde. Der Platz ist durch den Hauptweg mit Sand
nessjöen verbunden. Vom Wege bis zu den Häusern führt eine sehr schlecht gehaltene, stellen
weise moorige, hügelige Straße über eine mehr als bedenkliche hölzerne Bachbrücke (1500 m).
Außerdem hätte der Kinderreichtum der Familie sowie der echt norwegische Bauernzuschnitt
der Wirtschaft, die selbst bescheidenen Ansprüchen nicht gewachsene wohnliche Einrichtung
der Zimmer und einige andere Dinge einen längeren Aufenthalt jedenfalls nicht besonders
angenehm gemacht. Ausschlaggebend war aber vor allem die starke Überhöhung des Süd
horizonts durch das ganz nahe Hochgebirge und die Gefahr sommerlicher Verdichtungswolken
am Westhange dieser Berge, die auch bei günstigerem Wetter gerade hier eine Trübung in
der Mittagsstunde nicht ausgeschlossen erscheinen ließ.