Full text: Die totale Sonnenfinsternis vom 21. August 1914 beobachtet in Sandnessjöen auf Alsten (Norwegen)

Der Kriegszustand 
und die dadurch bedingte Änderung des 
Arbeitsplanes. 
Von der gefahrdrohenden Zuspitzung der europäischen Lage in der letzten Juliwoche 
drang nach Sandnessjöen keine genügend laute Kunde, um uns bei unseren eifrigen Vorberei 
tungen zu stören. Zwar kehrten täglich in den beiden in Sandnessjöen erscheinenden kleinen 
Zeitungen Nachrichten von einer zunehmenden Spannung zwischen Serbien und Österreich 
aus Anlaß des Fürstenmordes von Sarajewo wieder. Von der drohenden Haltung Rußlands 
gegen Österreich erfuhren wir aber nichts. Zeitungen aus Kristiania trafen ziemlich unregel 
mäßig und sehr verspätet ein, deutsche Zeitungen erst nach durchschnittlich 14 Tagen. Außer 
dem war die Zeitungslektüre bei uns ziemlich vernachlässigt worden, und die Stunden, die uns 
die Arbeit auf der Station frei ließ, waren von den Teilnehmern zu photographischen Arbeiten, 
Spaziergängen, botanischen, mikroskopischen und mineralogischen Studien ausgenutzt worden. 
Dazu kam, daß die langen Sommertage besonders bei schönem Wetter einen Aufenthalt im 
Freien bei uns Stadtmenschen bevorzugen ließen, und bei ungünstigem Wetter war auch während 
der Abendstunden für alle Herren reichlich Beschäftigung vorhanden. Schließlich verblaßt 
so weit von der Heimat das Interesse für die kleinen politischen Ereignisse in einer geradezu 
merkwürdigen Weise, wenigstens solange normale Verhältnisse bestehen. 
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf uns daher ein persönliches Telegramm an den 
Leiter am 30. Juli, das, offenbar in der Form sehr vorsichtig gehalten, kriegerische Verwicke 
lungen Deutschlands unzweifelhaft andeutete. Trotz dieser Warnung gaben die Expeditions 
teilnehmer ihrer Meinung allgemein darin Ausdruck, daß eine ernste Wendung der politischen 
Lage schon deshalb ausgeschlossen sei, weil der Kaiser und ein großer Teil der deutschen Flotte 
nach Zeitungsnotizen, die allerdings 8 Tage alt waren, sich in Norwegen befanden. Wir 
beschlossen aber sicherheitshalber, an die Firma Goerz eine drahtliche Anfrage über die poli 
tische Lage zu richten, und erhielten am 31. Juli die bündige Nachricht: ; ,Alle Instrumente 
heute abgesandt, Goller heute abgereist, europäische Lage ruhig“. 
Als bis Sonnabend, den 1. August, früh keine beunruhigenden Mitteilungen einliefen, 
auch die Einwohner sichtlich nichts von kriegerischen Verwickelungen wußten, obwohl in 
Norwegen sonst ein sehr reger Telephonverkehr zwischen den Küstenstädten herrscht, glaubten 
wir halb und halb an ein allerdings ziemlich schwer begreifliches Mißverständnis des genannten 
alarmierenden Telegramms oder an eine vollständige Textverstümmelung. 
Der Expedition war je eine deutsche und eine norwegische Flagge gestiftet worden, und 
diese wurden feierlich am 1. August vormittags in Anwesenheit sämtlicher Teilnehmer am 
Miethe, Sonnenfinsternis. 4
	        
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