Der Kriegszustand
und die dadurch bedingte Änderung des
Arbeitsplanes.
Von der gefahrdrohenden Zuspitzung der europäischen Lage in der letzten Juliwoche
drang nach Sandnessjöen keine genügend laute Kunde, um uns bei unseren eifrigen Vorberei
tungen zu stören. Zwar kehrten täglich in den beiden in Sandnessjöen erscheinenden kleinen
Zeitungen Nachrichten von einer zunehmenden Spannung zwischen Serbien und Österreich
aus Anlaß des Fürstenmordes von Sarajewo wieder. Von der drohenden Haltung Rußlands
gegen Österreich erfuhren wir aber nichts. Zeitungen aus Kristiania trafen ziemlich unregel
mäßig und sehr verspätet ein, deutsche Zeitungen erst nach durchschnittlich 14 Tagen. Außer
dem war die Zeitungslektüre bei uns ziemlich vernachlässigt worden, und die Stunden, die uns
die Arbeit auf der Station frei ließ, waren von den Teilnehmern zu photographischen Arbeiten,
Spaziergängen, botanischen, mikroskopischen und mineralogischen Studien ausgenutzt worden.
Dazu kam, daß die langen Sommertage besonders bei schönem Wetter einen Aufenthalt im
Freien bei uns Stadtmenschen bevorzugen ließen, und bei ungünstigem Wetter war auch während
der Abendstunden für alle Herren reichlich Beschäftigung vorhanden. Schließlich verblaßt
so weit von der Heimat das Interesse für die kleinen politischen Ereignisse in einer geradezu
merkwürdigen Weise, wenigstens solange normale Verhältnisse bestehen.
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf uns daher ein persönliches Telegramm an den
Leiter am 30. Juli, das, offenbar in der Form sehr vorsichtig gehalten, kriegerische Verwicke
lungen Deutschlands unzweifelhaft andeutete. Trotz dieser Warnung gaben die Expeditions
teilnehmer ihrer Meinung allgemein darin Ausdruck, daß eine ernste Wendung der politischen
Lage schon deshalb ausgeschlossen sei, weil der Kaiser und ein großer Teil der deutschen Flotte
nach Zeitungsnotizen, die allerdings 8 Tage alt waren, sich in Norwegen befanden. Wir
beschlossen aber sicherheitshalber, an die Firma Goerz eine drahtliche Anfrage über die poli
tische Lage zu richten, und erhielten am 31. Juli die bündige Nachricht: ; ,Alle Instrumente
heute abgesandt, Goller heute abgereist, europäische Lage ruhig“.
Als bis Sonnabend, den 1. August, früh keine beunruhigenden Mitteilungen einliefen,
auch die Einwohner sichtlich nichts von kriegerischen Verwickelungen wußten, obwohl in
Norwegen sonst ein sehr reger Telephonverkehr zwischen den Küstenstädten herrscht, glaubten
wir halb und halb an ein allerdings ziemlich schwer begreifliches Mißverständnis des genannten
alarmierenden Telegramms oder an eine vollständige Textverstümmelung.
Der Expedition war je eine deutsche und eine norwegische Flagge gestiftet worden, und
diese wurden feierlich am 1. August vormittags in Anwesenheit sämtlicher Teilnehmer am
Miethe, Sonnenfinsternis. 4