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Polarstern.
ietermaßen, doch noch etwas vom Pole
absteht; ja, dieser Abstand ist, wie ich
auch schon durch das obige eingeklam
merte „jetzt" angedeutet habe, und wie
fortgesetzte Beobachtungen lehren, we
gen des Vorrückens der Nachtglei
ch en (vergl. d. A.) selbst wieder verän
derlich ; — und dieses verwickeltere Ver
hältniß muß ich, mit anticipircndcm Be-
zuge auf jenen Artikel, meinen Lesern
recht klar zu machen suchen.
Was bezeichnet nämlich die eigentliche
Stelle des (unseres Nord-) Pols am
Himmel? — Versinnlichen wir uns die
im Welten- (Himmels-) Raume srei um
ihre Are rotirende Erdkugel, so erscheint
uns bei dieser Arendrehung natürlich der
ganze Himmel, mit Ausnahme eines
einzigen Punctes, in Bewegung,
und dieser Punct ist also der betref
fende Pol (Weltpol'''); wenn wir jene
Erdare (die sie abgebende gerade Linie,
wie wir sie uns vorstellen) in Gedanken
hinreichend verlängern, so trifft dieselbe
am Himmel immer diesen, und zwar
nur diesen einzigen, bei der Drehung
allein in relativer Ruhe verharrenden
Polpunct. Damit demnach die Are
beständig denselben Himmelspunct als
Nordpol bezeichnete, müßte ihre Lage
im Weltenraume, ihre Richtung, eben so
beständig, eben so unveränderlich seyn:
diese Are müßte durchaus keinerlei Ver
rückung erleiden.
Dieß ist aber nicht genau der Fall.
Die Leser mögen, mit Bezug aus den
citirten Artikel „Vorrücken der
Nachtgleichen," an Ihren runden
Tisch treten, dessen Platte die Ebene der
Erdbahn (Ekliptik) vorstellen soll, und
auf dessen Rande die Erde also beim
Jahreslaufe fortrückt. Dabei ist jene Ro-
tationsare gegen die Platte (Ebene
der Ekliptik, vergl. d. A-, S. 298 ff.)
unter einem Winkel von etwann 66
geneigt, und macht also mit einer aus
der Platte Senkrechten'"' dagegen * **
* >,W e l t pol" zum Unterschiede von den
Polen der Ekliptik, von denen erst
gleich nachher die Rede seyn kann.
** Diese also bezeichnete Senkrechte ist
demnach die Axe der E k l i p t i k, und sic
führt zn den „Polen d e r E k l i p t i k,"
den (hier unveränderlich angenoiume-
nen) Winkel von (90 — 66'/¿ =) 23'/ 2 °.
Bliebe sie sich bei jenem Jahreslaufe und
der damit verbundenen Notation voll
kommen parallel, so würde sie, wegen
der unermeßlichen Entfernung des Hiin-
mels mit seinen Sternen, imnier nach
dem nämlichen Puncte, und, wenn der
selbe gerade ein Stern wäre, immer nach
dem nämlichen Sterne gerichtet bleiben,
sie würde dann immer den nämlichen
Polpunct bezeichnen. Allein sie drehet
sich vielmehr während eines jeden Um
laufes unter dem angegebenen Winkel
westwärts (nach der rechten Hand
hin), ein wenig um die bezeichnete
Senkrechte, als wenn sie in dieser Rich
tung allmälig einen Kreis'-' um die
selbe beschreiben wollte, und trifft also
andere Himmelspuncte, welche somit
nun P 0 l p u n c t e werden, und denen
ein anderer Stern, als nunmehriger
„Polarstern," näher wie der solcher
gestalt von der Are verlassene liegt. —
Dieß ist der, wie gesagt, im Art. Vor
rücken der Nachtgleichen noch wei
ter aufzuklärende Vorgang, welchen man
durch die vorgeschlagene Zuhülfenahme
der Tischplatte sehr anschaulich machen
kann; und aus den also entwickelten
Gründen sage ich oben von der „Cyno-
sura," sie sey (obwohl diese Verrückung
der Polstelle fvergl. das gleich Folgende)
sehr langsam vor sich geht) nur für jetzt
der Polarstern. Zu den Zeiten des Grie
chischen Astronomen Eudorus (von
Gnidus), um 350 vor Christus, war
demgemäß sogar der Stern ß in der
Schulter des kleinen Bären dem Pole
näher, als der jetzige Polarstern, und
damals gab also dieses ß den Polar
stern ab. Dem gegenwärtigen Po
larsterne: eben der Cynosura, rückt
die Notationsare der Erde und der
in dieser Art durch sic bezeichnete (Nord-)
Weltpol für jetzt sogar noch immer nä
her: Tycho fand 1577 seinen Abstand
vom Pole fast 3", 1682 war ihm der
deren ich, um den Unterschied von den
„Weltpvlen" hervorzuheben, eben ermähnt
Hobe.
* Als wenn, wie ich nur sogen kann, die
„Welt pole" einen Kreis ui» die „Pole
der Ekliptik" durchliefen.