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Schatten.
deckenden Wolken, wenn der Wind die
letzteren fortführt, auf den Feldern dahin.
Indem die Sonne, wie ich in diesem Be
züge noch bemerke, den Tag über von
Morgen gegen Abend geht, bewegen sich
die Schalten fest stehender Körper auf
der Erdoberfläche umgekehrt von
Abend gegen Morgen; die zur Erläute
rung des Verfahrens bei Entwcrfung ei
ner Mittagslinie (vergl. d. A ) ver
mittelst der Schattenlängcn beigebrachte
Fig. 1. der Tafel V, um deren Verglei
chung ich bitte, mit dem in 0 errichte
ten Stifte, zeigt dieß am augenschein-
lichsten.
Bei Mondfinsternissen dagegen
(vergl. Finsternisse, S. 461) folgt
der Schattenkegel der ganzen Erdku
gel natürlich der allgemeinen Him
mels- (Tages-) Bewegung (von Morgen
gegen Abend), gleichwie bei Sou neu
st« fte rn is se n(ibil1.S.478) der über die
Erde wegziehende Schatten des Mondes
der eigenen Bewegung des letzteren
(also von Abend gegen Morgen).
Schließlich muß ich noch einen, den
Gang des Schattens betreffenden merk
würdigen Umstand hervorheben, dessen
meine Leser in älteren Lehrbüchern der
Geographie erwähnt finden könnten. Bei
uns (in unsern Ländern) nämlich, wo
die Sonne nie nördlichen Zenithab
stand erlangt, rückt sie daher auch vom
Aufgange an, mit stets wachsendem
nördlichen (vom nördlichen Durch-
schnittspuncte des Meridians mit dem
Horizonte — dem Mitternachts
puncte— an gezählten) Azimuth, * im
mer mehr gegen den Mittagspunct zu;
also nähert sich der vormittägige
Schatten eines lothrcchten Stiftes gleich
u n u n t e r b r o ch e n der M i t t e r n a ch t s'
gegend (die schon oben citirte Fig. 1. der
Tafel V. zeigt dieß wieder am besten).
Zn der heißen Zone dagegen — spre
chen wir zuerst von deren nördlicher
Hälfte — widerfährt es jedem Orte, daß
* Der Ausdruck „n v rd l i cheS« Azimuth
könnte meine Leser bei Vergleichung die
ses Artikels befremden; es soll damit
aber, wie gesagt, nur das Zahlen vom
Mitternachtspuncte (statt, wie ge
wöhnlich, vom Mittagspuncte) an bezeich
net werden.
die Sonne für ihn jährlich eine Zeit
lang mehr nördliche Abweichung hat,
als die (nördliche) geographische Breite
(Polhöhe) dieses Ortes beträgt, daher die
Culmination dann wirklich nordwärts
vom Zenith des Ortes erfolgt, in wel
cher Gemäßheit das nördliche Azimuth
der Sonne zu dieser Zeit zwar täglich
vom Aufgange an bis zu einer gewis
sen Grenze wächst, an derselben aber still
steht und hiernächst wieder kleiner wird."'
Zn Folge davon drehen sich die „Schal
ten" lothrechter Stifte unter diesen Be
dingungen zwar des Morgens eine
Zeit lang gegen Norden, stehen aber
hernach still , werden südlich und fallen
Mittags, südlich vom Zcnith in^die
Mittagelinie (wie es, da die Sonne, an-
gegebenermaßen, nordwärts von dem
selben culminirt, ganz natürlich ist). Nach
mittags hat ein solcher Erfolg begreiflich
in entgegengesetzter Art Statt; — gleich
wie der ganze Vorgang eben so für die
südliche Hälfte der heißen Zone ein
tritt, sobald die südliche Abweichung
der Sonne größer als die südliche geo
graphische Breite deS betreffenden Ortes
wird. — Dieses „Zurückgehen der
Schatten" wird, wie gesagt, von den
älteren Geographen : V a r e n i u s, **
* D. h. die Sonne geht nnrer diesen Be-
dingnngen zwar anfänglich auf die
Mittagsgegend zu, kehrt aber nachher
gleichsam wieder um und culminirt i»
der That auf der Nord feite des Zeniths.
— An einem GlvbuS kann man stch dieß
sehr anschaulich machen: man nehme ei
ne» Ort z. B. 10° iz o r d wärts vom
Acquatvr, gebe der Sonne zugleich 15"
nördlicher Abweichung und ziehe den
entsprechende» Parallelkreis, sv wird man
gleich sehen, wie dessen Richtung zwar
anfänglich allerdings eine südliche ist,
in den höheren Puncten aber sodann
nördlich wird, und im h ö ch st e » (dein
CnlminativnS-) Puncte (15 — 10 =)
5° nordwärts vom Zenith fällt.
** Varenius (Bernhard), über welchen man
biographische Notizen meistens vergeblich
sucht, gebürtig aus England, lebte als
Arzt zu Amsterdam, wo er 1660 gestor
ben ist, lind war leidenschaftlicher Lieb
haber der Geographie. Sein oben gemein
tes Werk über diese Wissenschaft ist die