Full text: L-Z (2. Band)

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Stabilitäts-Problem» 
Diesen Zeitraum können wir den Zeit 
raum der Stabilität der Erdbahn 
im engeren Sinne nennen. 
Um ihn zu bestimmen, mußte zuerst 
auf die Veränderungen der Er- 
centricität der Erdbahn und auf die 
B e w e g u n g ihrer Apsidenlinie 
Rücksicht genommen werden, wovon die 
Berechnung des Tages der wahren 
Frühlingsnachtglciche (im Gegen 
satz der mittleren) hauptsächlich ab 
hangt. Hiernach fand sich ein Zeitraum 
der Stabilität der Erdbahn im engeren 
Sinne von 736000 Jahren, innerhalb 
welcher Zeit die Grenze der Ercentrici- 
tät (von Le Verrier auf 0,08 ange 
geben) sich höchstens etwa bis auf 0,08433 
erweitert. Aber jene 736000 Jahre zie 
hen sich sehr merklich zusammen, wenn 
man nicht an die sidcrische, sondern (wie 
es zum Behuf der Entwertung des Ka 
lenders und zur Bestimmung der christli 
chen Hauptfcste erforderlich ist) an die 
tropische Bewegung der Erde um die 
Sonne denkt. Denn während die Er- 
centrieität und die Lage der Apsidenlinie 
sich im Laufe der Jahrhunderte ändern, 
bewegen sich die Aequinoctialpuncte 
in ihrem Zurückweichen zwischen den Fix 
sternen mit ungleichförmiger Ge 
schwindigkeit , und eben dadurch ändert 
sich die tropische Jahreslänge (denndie 
Aenderungen der Ercentricität und der 
Lage der Apsidenlinie tragen dazu, wie 
sich deutlich zeigen läßt, nichts bei). 
Daraus entsteht die sogenannte Säcn- 
l a r g l e i ch u n g der Nachtgleichen- 
pun ct e, d. h. die Correction, welche an 
die für künftige Jahrhunderte vermittelst 
der gegenwärtigen tropischen Bewe 
gung berechneten scheinbaren Oerter der 
Weltkörper an der Himmelskugel anzu 
bringen ist, um der ungleichförmigen 
Präcesfion zu genügen. Diese Correction 
hat Delambre in eine (seinen Tafeln 
des Sonnenlaufs einverleibte) Tafel ge 
bracht, welche aber (weil er bei der La- 
place'schen Theorie der Präcession ste 
hen blieb) nur bis 1200 Jahre nach der 
Fundamental-Epoche, also bis zum Jahr 
3000 unserer Zeitrechnung brauchbar ist. 
Diese Tafel mußte nun nach der Le Ver- 
rier'schen Theorie umgeformt, und zu 
gleich eine Ueberlegung angestellt wer 
den, welche Ungewißheit noch wegen der 
vernachläßigten höheren Potenzen der Er- 
centricitäten und Neigungen übrig blieb, 
— welches eine durchgreifende Revision 
der ganzen bisherigen, höchst verwickelten 
Präcessions- Theorie erforderte, 
wozu die neueren Arbeiten von Pois- 
son, Pontvcoulant, Bessel, Otto 
Struve und Peters'" (diebeiden letz 
teren Männer sind Mitarbeiter an der 
neuen Pulkowaer Sternwarte) zwar als 
schätzbare Hülfsmittel dienten, aber doch 
(weil sie sich nie zum Ziele setzten, auf 
eine große Anzahl von Jahrtausenden 
auszureichen) für unsern Zweck nicht ge 
nügten. Es gehört eine gewisse Resig 
nation dazu, weitläuftige numerische Rech 
nungen durchzuführen, deren Resultate 
am Ende doch nicht zur unmittelbaren 
Anwendung kommen, sondern nur die 
Grenzen der übrig bleibenden 
möglichen Fehler ausdrücken; aber 
um so größer ist die Belohnung, indem 
man dadurch eine Sicherheit in der Be 
urtheilung des Grades der Zuverlässig- 
keit aller gewonnenen Resultate erhält, 
die durch nichts anderes ersetzt werden 
kann. 
Auf diese Weife fand sich, daß der üb 
rig bleibende Fehler in der verbesserten 
D e l a m b r e'schen Tafel, welcher zur Zeit 
der Fundamental-Epoche = 0 ist, in den 
späteren Jahrhunderten der Zeit propor 
tional wächst, bis endlich nach etwa 
37500 Jahren die Ungewißheit des Zeit 
puncts der Frühlings-Nachtgleiche sich auf 
einen ganzen Tag angehäuft hat. Das 
also ist der Zeitraum der Stabilität der 
Erdbahn im engeren Sinne, und er wird 
bis auf etwa 28200 Jahre zusammen 
gedrängt , wenn man berücksichtigt, wie 
weit auch der Werth der die ersten Po 
tenzen der Ercentricitäten und Neigun 
gen enthaltenden Glieder ungewiß ist, 
wegen der noch Statt findenden Ungewiß 
heit der Massen. Bis zum Jahre 
30000 unserer Zeitrechnung ' kann man 
also schon jetzt einen Kalender anlegen, 
* Ich meine dessen klassisches Werk über 
die N u t a t i v n s - C v n st a n r e, welches 
in einem scheinbar nur Oeiinupn«’” Ab 
schnitt höchst wichtige, bisher nnbekannte, 
analytische Entwicklungen über die Pra- 
cession und deren Saenlar-Aendernn- 
gen enthält.
	        
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