408
Stabilitäts-Problem.
jetzt geschieht. Dieser Gebrauch schreibt
seinen Ursprung aus früheren Zeiten her,!
wo das Eingreifen der religiösen Be
dürfnisse in die bürgerlichen im Allge/
meinen lebendiger war, als jetzt. Wer
sich nun jetzt in seinen bürgerlichen Ge
schäften durch die ungleichmäßigen Ab
schnitte gedrückt fühlt, sollte lieber ein
fach wünschen, solche Abschnitte von be
weglichen Festen unabhängig gemacht,
als diese Feste firirt zu sehen. Für lein
frommes Gemüth ist zur Beibehaltung
der Beweglichkeit des Festes schon
rin mehr als hinreichender Grund der,
daß, wenn das Osterfest z. B. auf sei
nen mittleren Termin firirt würde
und nur vom 5ten bis Ilten April
schwankte, die letzten Epiphanias - und
Trinitatis-Sonntage für immer weg
fallen würden, deren kirchliche Perikopcn
bei ihrem mystischen und tief-ernsten In
halt (Ernte der Welt, Verklärung, jüng
stes Gericht) durch ihre seltenere Wieder
kehr einen eigenthümlichen Reiz der Neu
heit erhalten. Man sieht, wie hier im
mer eins mit dem andern zusammenhängt;
das christliche Osterfest ist nun einmal
geschichtlich aus dem jüdischen Pascha
und folglich aus dem gebundenen
Mondjahre hervorgegangen (wassich
auch Luther nicht lebhaft genug verge
genwärtigt zu haben scheint, denn sonst
hätte er der Beweglichkeit des Festes das
Wort geredet; aber er scheint der Ma
thematik nach seinem ganzen Wesen ziem
lich entfremdet gewesen zu seyn), und
die Firirung (wodurch der Mond auf
einmal seine ganze Bedeutung für die
christliche Zeitrechnung verlieren würde,
der doch von Gott selbst, nebst der Sonne,
dazu gesetzt ist, zu geben Zeichen,
Zeiten, Tage und Jahre) kann
gleichsam als ein Antasten heiliger In
teressen angesehen werden, und diese sind
bei tieferen Gemüthern allemal mit ewi
gen Interessen verbunden, daher die
Frage sich nicht von der Hand weisen
läßt: Wie wird das alles in künfti
gen Jahrtausenden gehalten wer
den ? Und was haben wir zu thun, um
eine einfache und sichere Regel zur
Aufrechthaltung der jetzt bestehenden Ord
nung wo möglich für die Ewigkeit
festzustellen?
Unter der mittleren Bewegung
pflegt man denjenigen Dogen des Um
fanges der Himmelskugel zu verstehe»,
um welchen ein Weltkörper, von der
Sonne oder Erde aus betrachtet, in ei
ner Zeit-Einheit (zu welcher die
Astronomen gewöhnlich den Zeitraum von
365'/,, Tagen wählen) zwischen den Fix
sternen fortzurücken scheinen würde,
wenn alle Ungleichheiten seines scheinba
ren Laufs ausgeglichen wären. Indem
nun unsere Erde mit dem Monde zugleich
von der Sonne angezogen wird, und
zwar zur Zeit des Neumondes der Mond
stärker als die Erde, weil er der Sonne
etwas näher ist, zur Zeit des Vollmon
des aber die Erde stärker als der Mond,
weil sie der Sonne etwas näher ist, und
ein ähnlicher Unterschied der Stärke der
Anziehung (wiewohl in vermindertem
Maße) auch an den vom Neu- und Voll
mond verschiedenen Tagen des synodi-
schen Monats stattfindet, so sieht man,
daß die Sonne die Kraft, mit welcher
der Mond von der Erde angezogen wird,
unabläßig vermindert, daß sie ihn
also zwingt, auf seinen Umlauf um die
Erde eine längere Zeit zu verwenden,
als er brauchen würde, wenn er in der
jenigen mittleren Entfernung von der
Erde, welche ihm nun einmal von der
ersten Schöpfung an angewiesen ist, der
Anziehungskraft der Erde al
lein gehorchte. Die mittlere Bewegung
des Mondes um die Erde wird alsodurch
die Störung von Seiten der Sonne ver
mindert, und zwar desto mehr, je
näher die Erde der Sonne ist,
weil der Ueberschuß der Entfernung der
Erde von der Sonne über die Entfer
nung des Mondes von der Sonne zur
Zeit des Neumondes, oder auch der Ue
berschuß der Entfernung des Mondes von
der Sonne über die Entfernung der Erde
von der Sonne zur Zeit des Vollmon
des, einen desto größeren Theil der Ent
fernung der Erde von der Sonne aus
macht, je näher die Erde der Sonne ist.
!Folglich werden die zwölf synodischen Um
läufe vom Monde während eines Jahrs
in verschiedenen Zeiten zurückgelegt;
derjenige Umlauf, welcher zur Zeit der
kleinsten Entfernung der Erde von der
Sonne zurückgelegt wird, dauert a m
längsten, und derjenige, welcher zur
Zeit der größten Entfernung der Erde