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Sternwarte.
augenblicklich anzuhalten und wieder wir
ken zu lassen. Die beiden kleineren Thür
me in SO. und SW. des Hauptthur
mes sind, bestimmt, ein Heliometer und
ein Plößlsches dialitisches * Fernrohr auf
zunehmen. Ersteres ist schon vor 2 Jah
ren aufgestellt, mußte aber einiger Män
gel wegen abgenommen und abermals
ausgestellt werden- Beobachtungen sind
noch nicht damit angestellt worden. Der
zweite dieser Thürme steht zur Zeit noch
leer, da Plößl's anhaltende Kränklichkeit
ihm noch nicht gestattet hat, der schon
1834 gemachten Bestellung zu genügen.
Der mittlere Theil des ganzen Gebäudes
(die eigentliche Sternwarte) enthält au
ßer diesen Räumen nur noch einige Ar-i
beitszimmer und Lokale für die Biblio
thek u. dgl., denn sämmtliche Wohnungs
gelaffe sind in die beiden Flügel vertheilt,
jedoch so mit dem mittleren Theile ver
bunden, daß jeder Beobachter aus seinem
Wohnzimmer an sein Instrument gelangt,
ohne aus dem Hause treten zu müssen,
Die Wirthschafts- und Stallungsgebäude
nehmen die äußersten Theile zu beiden
Seiten ein. Noch befinden sich symme
trisch um das Hauptgebäude vier abge
sonderte kleine Thürme, deren jeder einen
Theodoliten oder anderes kleines Instru
ment enthält, die zur Uebung für ange
hende Astronomen bestimmt find. Wäh
rend der Anwesenheit des Nef. wurde in
allen 4 Thürmen gearbeitet. In 600 Fuß
Entfernung nach Norden und Süden vom
Meridiankreise aus waren zwei Häuser
im Bau begriffen, die jedes einer mire
méridienne** zum Schutze dienen sollten.
Diese Marken (Mctallplatten mit kreis
förmigen Oeffnungen von etwa 1 Linie
Durchmesser) ruhen auf großen granit-
nen Monolithen, die früher für das Pas
sagen - Instrument bestimmt waren , sich
hier aber nicht hinreichend bewährten,
* S. Achromatisch, S. 37.
** „Mire méridienne.“ Meridianzeichen.
Man stellt für die im Meridian ange
brachten Instrumente in angemessenen
Entfernungen , s ü d- und nord wärts,
„Zeichen," z. B. Säulen, auf, nach de
nen man visire» , und mit deren Hülfe
man also die Richtung des Fernrohres
wieder herstellen kann, wenn es sich da
von entfernt haben sollte.
weßhalb Backstein.Pfeiler an ihre Stellen
getreten sind. Um die kleine Oeffnung
nun hinreichend scharf zu sehen, waren
zwei Objective von 600 Fnß Brennweite
aus dem Münchener Atelier angelangt,
die so eben im Saale aufgestellt wurden.
Es ist gewiß eine höchst erfreuliche Er
scheinung, daß ein hochgesinnter und die
Wissenschaften aufs eifrigste befördernder
Monarch der Astronomie einen Tempel
gegründet hat, wie noch kein Land, kein
Zeitalter ihn errichtete, und man ist zu
der Erwartung berechtigt, daß von hier
aus Fragen ihre Lösung erhalten werden,
die sonst noch Jahrhunderte lang unbe
antwortet geblieben wären. Gleichwohl
drängt sich unwillkürlich die Frage auf:
war Pulkowa, war der sechzigste Brei
tengrad, war das Nebelklima des ingcr-
mannländischen Littorals der Ort, wohin
eine so großartige Anstalt gehörte? und
boten sich nicht in der Umgegend des
schwarzen Meeres andre, der wissenschaft
lichen Kultur bereits zugänglich gemachte
Lokalitäten dar? So gewiß man es wün
schen muß, daß Himmelsbeobachtuugen
in möglichst vielen und verschiedenen Erd-
gegenden , namentlich unter den verschie
densten Breiten, fortwährend angestellt
werden; so gewiß es einzelne Ausgaben
gibt, die fast ausschließlich nur in höhe
ren Breiten gelöst werden können, so
wäre es für die Haupt- und Central-
Sternwarte Rußlands, die für alle
astronomische Aufgaben mit den erfor
derlichen instrumentalen Hülfsmitteln und
Arbeitskräften aufs reichlichste versehen
ist, doch wünschenswerth gewesen, daß sie
auch durch ihre Lage die Möglichkeit ge
währt hätte, sich allen Hauptaufgaben zu
widmen. Pulkowa kann keinen der Pla
neten durch alle Oppositionen, und wohl
nur selten einen Kometen den größten
Theil seines der Erde sichtbaren Laufes
hindurch mit Erfolg beobachten. Die Cul-
minationen der Sonne im tiefen Winter,
so wie fast ein Drittel der Mond-Culmi-
nationen gehen, ganz abgesehen vom Kli
ma , für Pulkowa verloren; der fast
gänzliche Ausfall der Sommernächte (schon
in Dorpat kann man in der zweiten Ju
nihälfte ohne Schwierigkeit um Mitter
nacht beim Dämmerscheine lesen) ist gleich
falls nachtheilig für Beobachtungen, wel
che eine möglichst ununterbrochene Fort-