Full text: L-Z (2. Band)

Strahlenbrechungen. 
O.J.) 
dichteren Luft sehr stark ausfällt. Bliebe 
dieselbe daselbst, namentlich für den Pol 
(„Sphaera paraltela i: ) selbst, für wel 
chen der Aequator den (wahren) Ho 
rizont abgibt, an das vorgetragene, 
-gewöhnliche (wenn ich so sagen darf, 
mathematische) Gesetz gebunden, so 
würde die Sonne z. B. dem Nord pole 
nur erst dann ganz über dem Hori 
zonte erscheinen, wenn eben der oberste 
R a n d Punct ihrer Scheibe i n demselben 
wäre; und der sechsmonatliche Tag die 
ses Pols würde sich dann durch die 
Strahlenbrechung nur um so viel Zeit 
verlängert finden, als die Sonne (ihr 
Mittelpunct) gebraucht, um von 15' 
südlicher Abweichung zu 15' nördli 
cher Abweichung (15 -j- 15 — 30', 
als dem angegebenen scheinbaren Sonnen- 
durchmeffcr) zu gelangen. Allein die 
bezeichneten, in den Polarregion e u 
Statt habenden, ganz andern dießfallsigen 
physischen Einflüsse vergrößern, wie 
gesagt, namentlich die Horizontal- 
Refraction in diesen Regionen un 
gemein, und nach den Beobachtungen der 
Schifffahrer * steigt dieselbe bei begünsti 
genden Umständen auf bedeutend über 4°. 
Ich finde in meine» Notizen, daß Hol 
ländische Schiffer, welche 1597 in Nova- 
zembla unter 76" (nördlicher) Breite über 
winterten, die Sonne schon am 24. Ja 
nuar wieder sahen, da sie sie doch, der 
Hloßcn S ch if f S re ch n u n g gemäß, d. h. 
av sehend von aller Refraction, 
-erst den 10. Februar, also 17 Tage spä 
ter hätten erblicken sollen. Danach be 
trägt die Horizontalrefraction in dieser 
Breite, wie ich sie im Texte gebe, über 
4": denn die sü d l i ch e Abweichung der 
Sonne nimmt um die angegebene Zeit 
täglich et wann '/ 4 " ab, und die 
Sonne war also für die angegebenen 17 
Tage wirklich noch 17 . '/4 — 4’/ 4 " 
weiter südlich vom Horizonte der Schiffer 
entfernt, als es sich durch den Einfluß 
der Ne fr activ» befand. Auch bestä 
tiget dieß die angedeutete Schiffsrechnung 
ziemlich nahe. Derselben, d. h. den Ta 
fel» gemäß, hätte die Sonne nämlich 
den etwann um (90 — 76;=:) 14" vom 
Aequator entfernte» Schiffshorizvnt erst 
am 10 . Februar erreichen sollen; ihre 
südliche Abweichung an diesem Tage ist 
Schon um die Grenzen der salten 
Zonen, wo eö (vergl. Erdstriche, S. 
390) doch noch keinen Tag von vollen 
24 Stunden geben sollte, wird die Sonne 
am längsten Tage durch die Brechung 
gleichwohl durchaus über dem Horizonte 
erhalten. Dieses merkwürdige Phänomen 
sahe König Carl XI. am 14. Juni alten 
Styls 1694 zu Tornea, und ließ dasselbe 
im folgenden Jahre durch seine Mathe 
matiker B i l e m b e r g und S p 0 l e 
(„kekractio 80 IÍ 8 inoccidui jussu Ca- 
roli XI. circa Solstitium aestivuni 1695 
observata“ in „Ada Erudit.“ 1697. 
Febr. p. 91) genauer untersuchen. Auch 
diese Beobachter geben danach die Bre 
chung in der dortigen Breite ungewöhn 
lich groß, über zwei volle Durchmesser 
der Sonnenscheibe an. 
Bon der Refraction rührt sodann auch 
die abgeplattete (ovale) Gestalt her, in 
welcher sich uns die Sonne und der 
Mond * besonders am Horizonte 
zeigen, und welche meinen Lesern wohl 
schon selbst aufgefallen ist. Beträgt näm 
lich der scheinbare Durchmesser eines Ge 
stirns , wie es, angegebenermaßen, bei 
Sonne und Mond der Fall ist, 30 Mi 
nuten, so wird, da die Refraction in die 
ser Höhe von 30' bereits über 4' kleiner 
als im Horizonte ausfällt, der obere 
Rand namentlich der Sonne durch die 
Refraction um so viel weniger, als der 
untere gehoben, und der verticale 
Sounendurchmesser erscheint also in dem 
nämlichen Verhältnisse kürzer, als der 
horizontale, dessen beide Enden gleich 
ungefähr 14" 30', 
wogegen die selb« am 24. Ja 
nuar 19" 10' 
beträgt; und der Unterschied 
von 4" 40 < 
kam also auf die Wirkung der Refraktion. 
— Ich darf nicht erst besonders aufmerk 
sam darauf machen, daß vollkvmmnere 
Genauigkeit hierbei freilich nicht erwartet 
werden darf, und die obigen Angaben 
also nur eine Näherung sind. 
* Eigentlich natürlich alle Gestirne; bei 
den übrigen ist diese Wirkung der Ne« 
fractiv», der scheinbaren Kleinheit der 
Gestirnscheiben wegen, nur weniger be 
merkbar.
	        
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