Full text: L-Z (2. Band)

Den Aiifanq des Tages setzen die 
Astronomen* in den Mittag, näm 
lich in den Augenblick, zu welchem, je 
nachdem sie sich nur auf wahre oder 
mittlere Sonnenzeit beziehen wollen, 
der Mittelpunct der wahren oder 
mittleren Sonne culminirt (d. h. im 
letzteren Falle in den Augenblick, zu 
dem die nach mittlerer „Sonnen 
zeit" gehende astronomische Uhr Mitlag 
oder 0 zeigt), und zählen von da an bis 
zur nächsten Culmination in ununterbro 
chener Folge 24 Stunden (welche also 
im ersteren Falle wahre, im letzte 
ren aber mittlere Sonncnstunden 
sind). 
Der bürgerliche (schon oben vom 
„natürlichen" unterschiedene) Tag dage 
gen wird, wenigstens bei den Europäi 
schen Völkern (nur in Italien kommt, 
wie man weiß, noch ein Zählen vom 
Untergange der Sonne an vor), 
von M i t terna cht angefangen. In die 
ser Art haben ihn (Plin. H. N. II. 77) 
schon die Römischen Priester gerechnet, 
und die gewöhnliche Meinung, daß die 
Christliche Kirche bei der Annahme dieser 
Anfangszeit auf die nächtliche Geburt 
Christi Rücksicht genommen habe, ist also 
nicht wahrscheinlich. Diese „bürgerliche" 
Rechnung zählt bekanntlich die Stunden 
von Mitternacht bis 12 Mittags, und 
fängt mit dem Mittage für den Nach 
mittag eine neue 12stü»dige Reihe an. 
Daher treffen, wie ich schon in mehreren 
Artikeln unseres Werkes, namentlich in 
Mittag S. 125, hervorgehoben habe, 
diese letzteren Stunden mit den obi 
gen astronomischen zusammen, wogegen 
die respectiven Vormittags stunden 
um 12 auseinander sind; wenn z. B. 
und des 2Isten auf den 22sten Juni: 
also 24h „ I 3",08, 
demnach der Unterschied der Dauer die 
ser beiden successiven wahren Son 
nentage , wie man sieht, nur 0",01 be 
trägt. — Auf der vorangehenden Seite 
muß es, statt 09, 87, und statt 08 , 09 
heißen. Ich nehme die numerischen An 
gaben ans Encke's ,-Jahrb.« für 1846. 
* Näheres an einem rechnenden Beispiele S. 
327 dieses II. Bandes unseres „Wvrterb.« 
II. 
die bürgerliche Zeitrechnung den acht 
zehnten Juli früh gerade voll 9 Uhr 
zählt, so hat die a str o n o m ische Rech 
nung eben erst die (12 Z- 9 — ) 21ste 
Stunde des siebenzehnten Juli vol 
lendet. 
Der „n a t ü r l i ch e" Tag, auf wel 
chen ich hier zurückkommen wollte, ist, 
wie gesagt, die Zeit des Aufenthaltes der - 
Sonne über dem Horizonte, d. h. die 
Zeit zwischen ihren: Aufgange und dem 
folgenden Untergange, und daher nach 
vcm jedesmaligen Stande der Sonne 
(nach ihrer Abweichung) und der geo 
graphischen Breite (Polhöhe) des Beob. 
achtcrs sehr verschieden. Man hat näm 
lich aus Ascensionaldifferenz 
die halbe Taglänge in wahrer Son- 
n e n zeit — 90° Ascensionaldiffe 
renz in Stern zeit, 
und da wir die bürgerlichen Stunden, 
angeführtermaßcn, vom Mittage ab aufs 
neue zu zählen anfangen, so gibt diese 
halbe Taglänge zugleich die Stunde 
des Unterganges. 
Unter dem Acquator selbst („Sphaera 
recta“*), wo die Polhöhe und (vergl. 
die Formel I. c.) mithin auch die AScen- 
sionaldiffcrenz — 0 sind, ist die halbe 
Taglänge jederzeit 6 Stunden, und die 
„natürlichen" Tage sind daselbst also 
stets 12 Stunden lang. 
Zwischen dem Aequator und den 
Polen („Sphaera obliqua“) dagegen ist 
die Taglänge veränderlich. Zweimal im 
Jahre, an den Nachtgleichen, dem 21sten 
März und 23sten September, da die 
Sonne im Aequator steht und ihre Ab 
weichung und (vergl. wieder die Formel 
>. c.) demnach zugleich ihre Ascensional 
differenz — 0 ist, wird die Länge des 
Tages auch für diese „Sphäre" — 12 
Stunden. So lange die Sonne eine 
nördliche Abweichung hat, ist die As- 
ccnsionaldifferenz für Orte in der nörd 
lichen Halbkugel positiv, und der 
Tag also länger als 12 Stunden; für 
Orte der südlichen Halbkugel, wo die 
Polhöhe südlich, d. h. negativ ist, 
wird alsdann die Ascensionaldifferenz 
auch negativ, und der Tag kürzer 
als 12 Stunden (die bloße Versinnlichung 
des Vorganges mit Bezug auf die nörd- 
* S. d. Art. S p l, ä r e. 
72
	        
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