Tropisches Jahr.
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verbundene Feldarbeit vorzunehmen sey,
over ein anderer daran gebundener Um-
stand vorkomme. So wußten (vgl. Ide-
l e r's, des verewigten Berliner Hofastro-
nomcn, „Lehrb. d. Chronologie". Ber
lin. 1831. gr. 8. S. 68) die alten Ac-
gypter, daß mit der Wiedererscheinung
(dem „helischen" Aufgange, s. d. A.
S. 82) des Fixsterns Sirius in der
Morgendämmerung, auch dieNil-
Uederschwemmung wiederkehre; und sie
hatten wahrgenommen, daß bis zu einer
solchen Wiedererscheinung ohngefähr 365
volle Tage verstreichen, d. h. also, daß
das Sonnenjahr soviel volle Tage
halte, demgemäß sie sich, wenn die wirk
liche Beobachtung des Sirius etwann
durch Witterung verhindert wurde, aus
das in Rede stehende Naturereigniß zur
rechten Zeit (nach soviel vergangenen
Tagen) bereit halten konnten.
Später, und als die beobachtende Astro
nomie schon mehr Fortschritte gemacht
hatte, fand man, daß sich jene Jahres
dauer auch durch Messung von Son
nenhöhen ermitteln lasse: die Sonne
steht z. B. in der nördlichen Halb
kugel zu dem bestimmten Mittage unse
res jetzigen 21. Juni am höchsten (hat
dann dort die geringste Zenithdistanz,
macht den längsten Tag, beschreibt den
größten Tagbogen); und wenn man dem
nach diese größte Sonnen-Mittagshöhe
(geringste Zenithdlstanz) bei ihren suc
cessiven Eintritten an den betreffenden
Mittagen maß, so mußte man gewahr
werden, daß dazwischen immer 365 volle
Tage verstreichen, oder daß die Rückkehr
der Sonne zu dieser geringsten Zcnith-
diftanz, zu diesem Puncte ihrer Bahn,
zu diesem Stande, den wir Sommer
nennen, soviel Zeit erfordere, mit noch
andern Worten, daß das Sonnenjahr,
wie wir es hier auf successive S om
ni e r ansänge beziehen, 365 volle Tage
lang sey.
Die Beobachtung zeigte aber ferner,
daß die Sonne von diesem Tage ihrer
kleinsten Zcnithdistanz an, sich wieder
weiter vom Zenith entferne, daß sie
gleichsam „umwende", daher der an ei
nem solchen Tage durch sie beschriebene
Tagkreis der „Wendekreis" (s. d.
A.), auf G r i e ch i s ch „tqotuxos“ ge
nannt wurde; — und daher ist also z u-
nächst der Beiname „tropisch" für
vas Sonnenjahr gekommen, über wel
chen ich hier Auskunft geben sollte.
Wie hat derselbe sodann aber, in der
oben angedeuteten Art, auf das „Ae-
q u i n o c t i a l"-J a h r übergehen können?
Die Griechischen Astronomen, nament
lich der scharfsinnige Hipparch (dessen
ich, unter dem biographischen Gefichts-
puncte, nur erst im vorangehenden Art.
Trigonometrie erwähnt habe), wur
den, wie uns Pt olemäus im 3. Buche
seines „Almagest" berichtet, bei fortge
setzten solchen Beobachtungen der Son
nen-Mittagshöhen im Tropikus, inne,
daß davon keine große Genauigkeit zu
erwarten sey, indem die Sonne zu die
ser, deßhalb auch „Solstitium" (Sol
und Sisto) genannten Zeit ihre Mit
tagshöhe von einem Tage zum andern
wenig ändert, gleichsam „still steht" j und
sie verfielen daher auf den Gedanken, der
Beobachtung der Sonne in diesem
Puncte ihrer Jahresbahn, vielmehr eine
andere Beobachtung in den Aequinoc-
tien* z. B. im Fr ühl in gs-Aequi-
noctium, wo jener hindernde Umstand
nicht eintrifft, zu substituiren, und die
gesuchte Jahrcsdauer hieraus abzulei
ten. Denn da cs sich dabei natürlich
nur um eine mittlere Dauer handelt,
so war es offenbar gleichgiltig, ob man
den Sonnen - Umlauf, das Sonnenjahr,
die Dauer der Rückkehr der Jahreszeiten,
von einem oder dem andern Bahnpuncte
bis wieder zu demselben, vom Som
me r - Solstitium zum nämlichen Sol
stitium, oder vom F rühling s-Aequi-
* Ich habe den jetzigen Modus dieser
Beobachtung im Artikel FruhlingS-
puint, S. 586, erörtert und bitte, ge
dachten Artikel zuvorderst zu vergleichen.
Man wird dann besser einsehen, daß
Hipparch venselbcn Zweck erreichte, in
dem er einen großen Ning in die Ebene
des AeguatvrS brachte und die Zeit
bestimmte, da der Schatten der von der
Sonne, wen» sie eben in jene Ebene trat,
beschienenen vorderen Hälfte des Rin
ges genau die hintere Hälfte bedeckte,
welches demnach den Moment der Nacht
gleiche gab.