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Weltsystem.
Mathematiker Montücla (Mitgl. des
Rational-Instituts, gest. 1799.), in sei
ner „Histoire des Mathematiques“ (neue
Aufl.' Paris. 1799. 4 B. 4.) macht (s.
auch unten) wahrscheinlich, daß das wahre
System von diesem Weltweiten unter dem
Symbol eines im Mittel der Welt be
findlichen Feuers verborgen und nur erst
später durch seinen kühneren Nachfolger
Philolaus (ich komme auf ihn zurück)
öffentlich vorgetragcn worden sey. Wohl
mag unter den Alten selbst keine über
einstimmende Ansicht von der, diesem Sw
steine eigentlich beizumcffenden Ausdeh
nung geherrscht haben, indem von Eini
gen bloß erwähnt wird, daß sie der Erde
lediglich eine Bewegung um ihre
Are beigelegt und hieraus die tägliche
Bewegung des Himmels erklärt hätten,
wobei sie noch immer den Umlauf der
Sonne u. s. w. annehmen konnten. Diese
Meinung legt z. B. Plutarch („De
placitis Philos.“ 111. 13. 17.) dein H c-
raklides von Pontus, dem Ekphan-
t u s und S e l e u k u S von Erpthräa bei.
Also trägt auch Cicero die Ansicht des
Nicetas von Syracus („Nicetas Sy
racusanus, ut ait Theophrastus, coelum,
solem, lunam, stellas , supera denique
omnia stare censet, neque praeter ter
ram rem ullam in mundo moveri, quae
cum circa axem se summa celeritate
convertat et torqueat, eadem effici om
nia, quasi stante terra coelum movere
tur'- 1 Cic. „Quaest.Acad.1V. 39.) vor,
wo offenbar nur von der täglichen
Bewegung die Rede ist. Andere dagegen
erhoben sich in der That schon dahin,
der Erde zugleich einen Umlauf um die
Sonne beizulegen. Dieß erzählen z. B.
Diogenes und Plutarch von dem
schon oben genannten Weltweisen Phi
lolaus von Crotona, auf den ich hier
zurückkommen wollte, vom Archytas
von Tarent, und Timäus von Locris.
Dieselbe Lehre ist, wie Archimed im
„Arenarius" ansührt, auch vom Ari-
starch von Samos aufgestellt, und, in
seinen letzten Jahren, sogar von Plato
angenommen worden. Plutarch 1. c.
versichert, dieser große Weltwcise habe
kurz vor seinem Tode sein Bedauern da
rüber ausgesprochen, „der Erde den für
sie ganz ungehörigen Platz im Mittel des
Ganzen angewiesen zu haben"; und er
beruft sich dabei auf das Zeugniß des
Theophrast, welcher eine nicht auf uns
gekommne Geschichte der Astronomie ge
schrieben hat. Mit der solchergestalt an
genommenen Bewegung des Planeten
Erde um die Sonne, ist aber der Um
lauf der übrigen Planeten um dieselbe
so genau verbunden, daß man auch den
letzteren als eine Lehre der Pythagoräer
ansehen darf, wenn dessen gleich, als ei
ner solchen, bei den Schriftstellern nicht
ausdrücklich gedacht wird. Man hat da
her auch das ganze ^oper nika n isch e
System, auf welches ich nun bald im
versprochenen Detail übergehe, wie (vgl.
hinten) schon oben nach Montücla
angedeutet ist, als vorbereitet durch die,
den späteren Astronomen natürlich nicht
unbekannt gebliebenen Meinungen der Ita
lischen Schule angesehen; und noch der
1694 zu Paris verstorbene Französische
Gelehrte Ismael Bo ulti au d trägt
dasselbe sogar durchaus unter dem Na
men des vorn erwähnten Pythagoräers
Philolaus: „Philolaus, libr. IV.“
Amst. 1639. 4. vor.
Allein ein bei weitem größerer Theil
der Griechischen Astronomen und Philo
sophen blieb doch bei der, durch den sinn
lichen Schein, welchem gegenüber die ent
gegengesetzte Ansicht sich nur wie ein
Ä h n u n g s s ch i m m e r höherer Wahrheit
verhielt, so sehr aufgedrungenen Unbe
weglichkeit der Erde stehen ; und nament
lich Aristoteles vertheidiget dieselbe,
und macht den Pythagoräern 1. c. über
ihre Behauptung des Gegentheils dieje
nigen Vorwürfe, auf welche ich hier eben
falls zurückkommen wollte. Dieser dreiste
Widerspruch hat, bei der großen Vereh
rung der Aristotelischen Sätze, die Er
langung der wahren Einsicht von der
Sache, deren Schwierigkeit ich hier eben
immer bestimmter hervorheben will, sehr
ausgehalten, und noch in neueren Zeiten,
und als diese Wahrheit endlich mit sie
genden Gründen wirklich dargethan war,
wenigstens die durchgängige Verbrei
tung lange verhindert. Man ersieht zu
gleich aus einer Stelle des Plutarch
(„De sacie in orbe Lunae“) , daß die
Lehre von der Bewegung der Erde be
reits bei den Griechen als ketzerisch ge
golten hat, daher die Verwerfung dersel
ben auch aus religiösen Glaubensgründen