73
Die Gährung der von dem Zymotechniker bearbeiteten Flüs
sigkeiten wird meistens unter Zutritt der atmosphärischen Luft
vorgenommen; es entwickelt sich dabei aus den gährenden Flüs
sigkeiten eine große Menge kohlensaures Gas. Dieses Gas,
aus einer wässerigen Flüssigkeit entbunden, ist mit Feuchtigkeit
gesättigt; es enthält auch Alkoholdnnst. Sein Gehalt an Waffer-
und Alkoholdunst ist bedingt von der Temperatur der Flüssig
keit, ans welcher es sich entwickelt. Man kann sich von dieser
Thatsache leicht überzeugen, wenn man die Gährung in einem
verschlossenen Gefäße vornimmt und das sich dabei entbindende
kohlensaure Gas durch ein zweischenkelig gebogenes Gasleitungs-
rohr, welches man mit Wasser absperrt, ableitet, um das Gas
zu nöthigen, durch das Wasser zu streichen, ehe es in die atmo
sphärische Luft austritt. In dem vorgeschlagenen Wasser findet
sich nach beendigter Gährung etwas Alkohol, und zwar um so
mehr davon, je höher die Temperatur der gähreuden Flüsiigkeit
war. Um diesen Verlust an Alkohol zu vermindern, ist es gut,
die Temperatur der in die geistige Gährung zu versetzenden
Flüssigkeit nicht zu hoch zu machen, sie vielmehr möglichst zu
erniedrigen; denn die Temperatur größerer Massen gährender
Flüssigkeiten steigt während des Gährungsverlaufes ohnedieß
noch um ein Bedeutendes, oft um 10—15 Grade nach der Cen-
tesimal-Scala, welche von selbst erfolgende Temperaturs-Erhö
hung der Verdunstung von Alkohol in Gemeinschaft mit der
entweichenden Kohlensäure sehr günstig ist. Dieß begründet
einen wesentlichen Vorzug der Untergährung bei niederer Tem
peratur (6—8° R.) vor der Obergährung bei höherer Tempe
ratur (10—30° R). Im ersten Falle wird der durch den Gähr-
proeeß gebildete Alkohol vollkommener in der Flüssigkeit erhalten.
Einen analogen Einfluß nimmt hierauf die atmosphärische
Luft, wenn die gährenden Flüssigkeiten in offenen Gefäßen mit
ihr in unmittelbarer Berührung sind. Aber die atmosphärische
Luft nimmt hierauf noch einen andern Einfluß; sie wirkt näm
lich vermöge ihres Oxygengehaltes oxydirend auf den in der
Flüssigkeit gebildeten und enthaltenen Alkohol und verwandelt
ihn in Essigsäure. Dieß geschieht um so energischer, je höher
die Temperatur der gährenden Flüssigkeit ist. Diesem Umstande
ist die Erscheinung zuzuschreiben, daß man in den Gährkammern
großer Branntweinbrennereien oft einen geistigen, manchmal aber
auch einen sauren Geruch bemerkt. Das Letztere ist immer schon