Full text: Die Bierbrauerei wissenschaftlich begründet und practisch dargestellt (1. Band, 1. Theil)

157 
Vorstehende Untersuchungen wurden im Laboratorium zu 
Gießen im Winter 1843/44 in Aufforderung Liebig's vorge 
nommen. Mulder gelang auf verschiedenem Wege fast gleich 
zeitig zu ähnlichen Resultaten in Bezug auf die Constitution 
der Bierhefe; er überzeugte sich ebenfalls von der Zellennatur 
der Hefenkügelchen. Die zwischen beiden Untersuchungen statt 
findenden Differenzen in Bezug auf die Zusammensetzung der 
Proteinkörpers erklären sich aus seiner ganz verschiedenen Dar 
stellung. Mulder zog ihn nämlich mit Essigsäure aus und 
fällte mit kohlensaurem Ammoniak. 
Den Vorgang der Umsetzung der Hefe bei der Gährung 
erklärt Mulder durch endosmotische Durchdringung der Pro 
teinsubstanz aus der Zellenmembran, welche erstere sich durch 
ihren hohen Grad von Zersetzbarkeit auszeichne. 
Hierzu bemerkt Liebig: „Die Übereinstimmung der Resul 
tate beider ganz unabhängig von einander aufgefaßter Unter- 
Untersuchungen (von Mulder und Schloßberger) ist um 
so erfreulicher, da hiermit die Natur der Hefe festgestellt zu 
sein scheint." 
Die beiden Gährungstheorien, nämlich jene Liebig's, 
welcher die Hefe als eine in fortwährender Umsetzung ihrer 
Molecnle befindliche Substanz bezeichnet und deren gährungs- 
erregende Kraft der Ansteckung zuschreibt, wornach die Bewegung 
der Molecnle der Hefe auf andere, damit in unmittelbarer Be 
rührung befindliche, leicht zersetzbare Körper fortgepflanzt wird, 
dann die mehrer anderer Chemiker, welche die Hefe für eine 
Pflanze, den Hefenbildungs- oder Gährproceß daher für einen 
Vegetationsproceß halten, stehen einander nun gewissermaßen 
entgegen. Man weiß aber, daß die Entstehung und Entwicke 
lung von mikroskopischen Pflanzen und Thieren jeden Zersetzungs 
proceß'organischer Materie auffallend beschleunigen und modi- 
ficiren können, ohne deßhalb nothwendig als erste Ursache dieses 
Processes zu wirken oder Veranlassung desselben zu sein. 
Wenn, wie besonders Chemiker hervorheben, von allem 
materiellen Leben fortdauernde Assimilation und Secretion, un 
aufhörliche Zerstörung und Reproduction vielleicht die allge 
meinste Grundeigenschaft, der eigentliche Charakterzug ist; wenn 
in der Respiration eine durchaus allgemeine und in jedem Au 
genblicke unentbehrliche Quelle nie unterbrochener Stoffumsetzung 
liegt, und wenn endlich gerade die lebensfrischesten Organe und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.