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wirken genau zu kennen, um davon für seine Zwecke und für
das praktische Leben richtige Anwendungen machen zu können,
wenn auch vor der Hand noch ohne vollkommen sichere Erkennt
niß der eigenthümlichen Kraft, welche bei dem Gährproceffe
thätig ist, obwohl eine richtige Erkenntniß derselben jedenfalls
für die Praxis der Gährungschemie nützlich sein müßte.
Von diesem Gesichtspuncte aus wird daher das Folgende
in Bezug auf praktische Gährungschemie behandelt werden
müssen; indessen sind dazu noch folgende Bemerkungen zu machen.
Es scheint nicht gehörig begründet, wenn man bei der Be
trachtung des Processes der geistigen Gährung die zwei, in ei
nigen ihrer Erscheinungen ganz verschiedenen Gährproceffe,
nämlich jenen der Gährung reiner Zuckerarten, wobei die Hefe
zersetzt oder consumirt wird, mit dem zusamenwirft, wobei neben
dem Zerfallen des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure neue
Hefe in großer Menge, und zwar in größerer Menge gebildet
wird, als jenes Hefenquantum beträgt, welches zur vollkommenen
Zersetzung derselben Zuckermenge nothwendig wäre, wenn diese
im reinen Zustande der Zersetzung durch Gährung unterworfen
würde. Bei der Zersetzung des Zuckers in der Bierwürze näm
lich, wobei neue Hefe gebildet wird, entsteht eine Menge der
selben, womit doppelt so viel gemeiner Zucker durch Gährung
zersetzt werden kann, als diejenige Zuckermenge beträgt, die
hierbei in der Bierwürze zersetzt worden ist. Was dabei mit
der zur Erregung der Gährung angewendeten Hefe (derjStell-
hefe oder Samenhefe) geschieht, ist bis jetzt noch gar nicht be
kannt, weil, wenn sie auch dabei eine Veränderung erleidet und
einen Rückstand hinterläßt, er sich mit der neu erzeugten Hefe
vermengt und davon nicht zu trennen ist.
Ferner ist es sicher und wird später bei der Betrachtung
der Biergährung nachgewiesen werden, daß die neu gebildete
Hefe nicht bloß allein aus den stickstoffhaltigen Bestandtheilen
der Bierwürze gebildet werden kann, sondern daß dazu noch
andere Bestandtheile der Bierwürze (beim Wein des Trauben
saftes) mitconcurriren, indem die Quantität der Hefe nicht nur
bedeutend größer ist als diese, sondern auch ihre chemische Zu
sammensetzung dieß ausweist. Ihr Stickstoffgehalt ist nämlich
bedeutend kleiner als der des Klebers, woraus sie mit entstanden
ist. Die atmosphärische Luft vermöge ihres Gehaltes an Sauer
stoff kann darauf keinen so großen Einstuß haben, weil diese
DEnq'S Gñhriing-chemir. I. 11