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Um die Bierwürze in ein erfrischendes, erregendes weinähn
liches Getränk zu verwandeln, ist es nothwendig, den darin
enthaltenen Zucker so zu zersetzen, daß er in Alkohol und kohlen
saures Gas zerfällt, wovon der erstere ganz, das letztere zum
Theil in der Flüssigkeit verbleibt, wodurch ihr ein geistiger und
erfrischender Geschmack ertheilt wird.
Diese Zersetzung des in der Bierwürze enthaltenen Zuckers
geschieht durch die geistige Gährung derselben — ein Proceß,
den wir im Allgemeinen schon kennen gelernt haben. Da durch
denselben ein Getränk erzeugt wird, welches man Bier nennt,
so heißt hiernach dieser Gährproceß auch insbesondere die Bier-
gährung.
Überläßt man eine Bierwürze von passender Concentration,
z. B. von 12 pCt. Malzextractgehalt, bei einer Temperatur von
10 bis 12" R. der Ruhe, so beobachtet man, daß sich an ihrer
Oberfläche allmählig ein weißer Schaum bildet; es beginnt eine
Entwickelung von kohlensaurem Gase, die Gährung hebt von
selbst an. Diese Selbstgährung erfolgt leichter bei ungekochten
Würzen als bei gekochten; sie tritt leichter ein in mit Gersten
malz und rohem Getreide erzeugten, als in bloß aus Gersten
malz bereiteten Würzen; durch Wärme wird ihr Eintritt be-'
schleunigt; am langsamsten tritt sie ein und am unvollkommen
sten erfolgt sie in gekochten gehopsten Bierwürzen. Deßhalb
setzt man in Belgien, wo die Selbstgährung der Malz-Getreide-
Bierwürzen noch theilweise üblich ist, der gekochten gehopften
Würze einen Antheil ungekochter erster Würze zu, weil dadurch
der Eintritt der Selbstgährung beschleunigt und ihr Erfolg un
terstützt wird. Immer sind zum Eintritte der Selbstgährung
mehre Tage erforderlich; für die Erzeugung eines besseren Pro-
ductes erfordert sie eine niedrigere Temperatur, weßhalb man
sie gewöhnlich im Keller vor sich gehen läßt, und sie dauert eine
längere Zeit. Neben dem Alkohol und der Kohlensäure aus
dem Zucker entsteht dabei auch Hefe aus den in der Würze ent
haltenen Proteinkörpern; alle neu gebildete Hefe wird am Boden
des Gefäßes ausgeschieden. Die unter den genannten Umständen
erfolgende Selbstgährung der Bierwürzen ist eine Untergährn ng.
Bei gekochten und gehopften Bierwürzen tritt die Selbst
gährung so langsam ein und schreitet so leise vorwärts, daß be
sonders bei höhern Wärmegraden (von 15 bis 18" R. Tempe
ratur) fast immer ein Milch-Sauerwerden der Flüssigkeit erfolgt.