Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 1. Abtheilung)

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Olbers an Gauss. Bremen, 1802 Oktober 21. 
meinen Rath verlangen. Aufrichtig muss ich gestehen, die Nachricht 
hat mich sehr erschreckt; ich kann es mir gar nicht denken, Sie so 
weit von uns zu wissen. Auch will es mir durchaus nicht gefallen, 
dass Deutschland Sie verlieren soll. — Aber ich fühle wohl, dass alle 
dergleichen persönliche oder auch nationale Beziehungen hier nichts 
entscheiden können. Es kommt darauf an: ist die angebotene Stelle 
in Petersburg für Sie vortheilhaft, und kann Ihnen unser Vaterland 
nicht eine ebenso gute, wo nicht bessere Aussicht darbieten? 
Ich kenne zwar Petersburg gar nicht, aber so viel ich gehört 
habe, ist der Aufenthalt, wenigstens sonst, für Gelehrte nicht sehr 
angenehm gewesen. Dem Astronomen, der praktisch seine Wissenschaft 
mit Eifer treiben will, legt das Klima, die nächtliche Dämmerung u. s. w. 
ausserordentliche Schwierigkeiten in den Weg. Eine nicht sehr feste 
Gesundheit hat vielleicht in Petersburg, besonders bei praktischer 
Astronomie, viel zu befürchten. Hofratli Huth, der den Ruf nach 
Dorpat mit 1500 Rubel Besoldung ausgeschlagen hat, erzählte mir, 
diese 1500 Rubel Banco oder Papier betrugen kaum 750 wirkliche 
Silberrubel, und davon lasse sich in Russland nicht anständig leben. — 
Dies sind einige Schwierigkeiten gegen die Annahme. Vielleicht 
werden Sie aber die letztere durch annehmlichere Bedingungen heben 
können. Die Vortheile, die mit der Annahme verbunden sein werden, 
haben Sie selbst aufgezählt. 
Nun von der anderen Seite kann Ihnen Deutschland freilich nur 
sehr wenige für Sie passende Stellen anbieten, da Sie durchaus keine 
Professur wünschen. — Der besoldeten eigentlichen Astronomen giebt 
es in Deutschland gar zu wenig. — Aber doch, liebster Freund, ehe 
Sie Ihren Entschluss wegen Petersburg fassen, die Beantwortung einer 
Frage und Bitte. Sie haben mir über Ihren Ruf nach Russland das 
strengste Stillschweigen aufgelegt, und natürlich werde ich dies nicht 
brechen. Aber können und wollen Sie mir nicht erlauben, dass ich 
für mich und gleichfalls im Vertrauen an Zach und an einen Freund 
in Göttingen meine Besorgniss, Sie aus Deutschland zu verlieren, eröffnen 
darf ? V enn dies auch weiter zu nichts führen sollte, wie man doch 
nicht wissen kann, so sehe ich doch gar keinen Nachtheil davon. Er- 
theilen Sie mir also womöglich diese Erlaubniss, und verlassen Sie sich 
auf den diskreten Gebrauch, den ich davon machen werde.
	        
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