Gauss an Olbers. Braunschweig, 1808 März 1.
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sehr überrascht, dass ich auf diese Art tlieils die Bewegung nach Süden
unmerklich fand, tlieils für die Bewegung nach Osten nur f von Ihrem
Resultate. Ich sah deswegen Ihren mir gütigst mitgetheilten Aufsatz
von Neuem durch, und ich schien mir auch die Quelle dieser Ver
schiedenheit ausfindig gemacht zu haben. Ich lege Ihnen hier von
Allem diesen die Hauptmomente in der Kürze bei. 1 ) Ich bitte um Ihre
Meinung darüber und um Nachweisung meines Fehlers, wenn ich wo
geirrt habe. Dass mein Resultat für die Bewegung nach Osten genau
mit der Beob. übereinstimmt, darauf darf ich mich nicht stützen, weil
die nach Süden so viel schlechter stimmt. Indess schreibt mir Dr. Benzen
berg, dass seine Resultate aus 31 Versuchen gezogen sind, wobei die
Fehlergrenze 18 Linien war. Ich bin nicht ganz gewiss, was hier
unter Fehlergrenze verstanden ist; ob die Differenz der äussersten Beobb.
von einander, oder die grösste Differenz vom Mittel, allein in beiden
Fällen dünkt mich doch, kann man bei dem Mittel für einzelne Linien
noch nicht mit Gewissheit gut stehen. Uebrigens glaubt Guglielmini
jetzt, dass die Luft durch ihre kegelförmige Bewegung den Körper
gerade so weit nach Norden treibe, als er wegen der durch die Luft
bewirkten Verzögerung nach Süden komme, und erklärt die von ihm
beobachtete Abweichung nach Süden aus der Beugung des Thurmes.
Für die Bewegung nach Osten finde ich in Gtjglielmini’s Schrift Opus-
culnm de diurno terrae motu Bon. 1792, welche Dr. Benzenberg mir
mitzutheilen die Güte gehabt hat, die ich aber noch nicht mit aller
Aufmerksamkeit habe durchgehen können, denselben Werth, den Sie
haben, und Guglielmini berechnet daraus fast dasselbe Resultat, was
seine Versuche gaben. Auf das Detail von Dr. Benzenberg’s Versuchen
bin ich begierig. Ich gestehe indess, dass mir hier bei der Ausübung
solche Schwierigkeiten obzuwalten scheinen, dass man auf die grösste
Präcision bei diesen schlüpfrigen Versuchen nicht leicht zählen könne.
Lassen Sie auch die Luft für unsere Sinne ganz ruhig sein; die fallende
Kugel wird in dem hie und da vielleicht engen Raume, wo die Luft
nicht so ganz ungenirt ausweichen kann, selbst Wind machen, und was
das Schlimmste ist, der Effekt davon wird gewissermaassen einen kon
stanten von der Struktur des Thurmes abhängenden Werth haben, dem
man daher durch Wiederholung der Versuche nicht ausweichen kann. Ich
gebe jedoch dies nur für einen Gedanken, der vielleicht beachtet zu
werden verdient, den aber vielleicht Dr. Benzenberg selbst schon
beachtet hat, oder von dem bei der mir unbekannten Bauart des
Michaelisthurmes gar nicht die Rede sein kann.
x ) Vergl. hierzu den Briefwechsel zwischen Gauss und Benzenberg, in dem
dieser kleine Aufsatz ausdrücklich erwähnt wird. Gauss’ Werke, Bd. V, S. 495 ff.
Sch.