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Olbers an Gauss. Bremen, 1808 September 14.
haben wird, haben Sie wohl noch nichts Gewisses in Erfahrung bringen
können.
Ihr Leipziger Buchdrucker macht mich ungeduldig. Ist denn noch
Ihr so sehnlich erwartetes Werk nicht beendigt? Die Michaelismesse
naht schon heran.
Von Ihren praktischen astronomischen Beschäftigungen erfahre ich
hin und wieder etwas aus den Gott. Gel. Am., von denen ich jetzt,
wie Sie leicht denken können, ein fleissiger Leser bin. Haben Sie die
Pallas nicht weiter beobachtet ? Ich habe es versäumt und sie nur
ein paar Mal gesehen. Bei meinem jetzt viel stärkeren Körper war
mir ihre Beob., da sie immer so hoch stand, zu beschwerlich. Sehen
Sie irgend einen Nutzen davon, so will ich sie nun noch einige Zeit
verfolgen. Mir scheint es aber unnöthig, da Sie doch jetzt nur Oppo
sitionen brauchen werden.
Sind die Kreise von Le Noir gut, die Ihre Sternwarte erhalten
hat? Und machen Sie Gebrauch davon? Wie hält sich der Chronometer?
Ich selbst bin sehr faul im Beobachten gewesen und habe auch
die Vesta nicht oft beobachtet. Hier indessen meine gestrige Beob., die
ich sehr gut halte, da Vesta mit zwei PiAzzi’schen Sternen verglichen
wurde, und die Beobb. sowohl unter sich ungemein gut übereinstimmten,
als auch den PiAzzi’schen Unterschied der Lage beider Sterne sehr
nahe angaben:
Bremer mittl. Zeit ¿ft Dekl.
Sept. 13. 10 h 14 m 48 s 350° 16' 39,6" 16° 15' 46,2" südl.
Unseres trefflichen Schroeter’s kronographische Fragmente haben
mich doch (ganz unter uns gesagt) von der Unbeweglichkeit der Ringe
nicht überzeugt. In der Anlage werden Sie die Gründe sehen, warum
ich wenigstens den sogenannten HARDiNG’schen Knoten, aus dessen un
verrückter Lage Schroeter hauptsächlich die Nicht-Rotation des Ringes
folgert, bloss für eine optische Erscheinung halte, die immer da sein
muss, der Ring mag rotiren so geschwind er will, und wenn auch alle
seine Tlieile in einer Ebene liegen.
Gestalt der Ansen des Saturn bei ihrem Versehtvinden. 1 )
Wenn die Ellipse des Saturn-Ringes sich soweit zusammenzieht,
dass nun die Ansen nur noch in Gestalt von geraden Linien erscheinen,
und die dunkeln Zwischenräume nicht mehr zu bemerken sind, so wird
die Helligkeit jedes Punktes dieser Ansenlinie doch immer im Verhält-
niss der hellen Tlieile ab, cd der beiden Ringe sein, die sich in der
auf die Axe der Ansen senkrecht gezogenen geraden Linie AB befinden.
9 \ergl. Band I, No. 196, S. 660, in der Olbers ähnliche Betrachtungen
unter Verweis auf seine Beziehungen zu Schroeter entwickelt. Sch.