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Gauss an Olbers. Gottingen, 1808 December 3.
viel Zeit, zerstückelt sie wenigstens, daher Sie auch nicht erwarten
müssen, in diesem Winter eben von besonderen Arbeiten von mir zu
hören. Hoffentlich werde ich künftig ein in jeder Hinsicht so undank
bares Geschäft, wenn ich mich ihm nicht entziehen kann, mit geringe
rem Zeitverlust abthun können, denn sonst würde ich mit meiner Lage
nie zufrieden werden. Ich begreife jetzt, wie die meisten akademischen
Lehrer den Wissenschaften gleichsam absterben. Wenigstens werden
solche Arbeiten, die sich mit horis subsecivis begnügen müssen, selten
für die Ewigkeit sein. Ich glaube zwar, dass meine drei Zuhörer viel
profitiren, wenigstens viel profitiren können; aber das, worin sie profi-
tiren, sind doch immer nur Sachen, die mein Joseph, wenn er Geometer
werden sollte, schon in seinem 13. Jahre wissen müsste, und von jenen
Dreien glaube ich nicht, dass Einer sich über das Mittelmässige erheben
wird. Angenehmer ist mir die Gegenwart des Dr. Schumacher aus
Altona, den Sie vielleicht aus der M. C. kennen. Dies ist ein sehr
guter Kopf, dessen Acquisition für Mathematik und Astronomie ich für
einen Gewinn halte; er ist bloss meinetwegen auf diesen Winter hier
her gekommen, natürlich nicht, um Unterricht in forma zu nehmen,
sondern weil er glaubt, durch meinen Umgang und gelegentlichen Rath
für sein eigenes Studiren Nutzen ziehen zu können.
Ich schicke Ihnen hierbei ein Exemplar von einem Programm, das
ich vor Kurzem habe drucken lassen, und zwar bloss desswegen, damit
eine Anzeige davon Sie nicht glauben mache, es sei mehr daran, als
wirklich ist. Dies Programm ist bloss ex officio geschrieben, und ich
habe daher mit Fleiss nur etwas Unbedeutendes gewählt, da der
gleichen Gelegenheitsschriften gewöhnlich bald verloren gehen und keine
weitere Verbreitung finden können. Im Oktoberheft der M. G. finden
Sie einen ähnlichen kleinen Aufsatz von mir; 1 ) ich bemerkte erst, als
ich denselben schon abgeschickt hatte, dass diese Aufgabe im Wesent
lichen ganz einerlei ist mit der Bestimmung der Lage des Oäquators
aus drei heliocentrischen Oertern eines Flecken. Indess halte ich meine
Auflösung zum praktischen Gebrauch für bequemer als alle diejenigen,
welche La Lande von jenem Problem anführt, dagegen leidet es keinen
Zweifel, dass die Auflösung von Cagnoli weit eleganter ist als die
meinige. Ich schicke darüber noch ein kleines Supplement an Herrn
VON Lindenau.
Die Auffindung des grossen Kometen schien mir, als Harding
mir davon erzählte, so misslich, dass nur Ihre und Bessel’s Versiche-
x ) Vergl. M. C. Bd. XVIII, 8. 277, Okt. 1808 und Bd. XIX, S. 85, Jan. 1809,
sowie Gauss’ V erke Bd. \ I, S. 129 ff. und 141 ff. Abhandlung: „Ueber eine Aufgabe
der sphärischen Astronomie.“ 3^