Olbers an Gauss. Bremen, 1811 August 12.
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zuweilen 10 Monate lang beobachtet werden kann. — Ueber Schroeter’s
Meinung, dass die Kometen uns durch ihr eigentümliches Licht sicht
bar sind, wird dieser, meine ich, entscheiden. Vor dem 20. Aug. ist
der Komet schwerlich zu sehen; denn auch an diesem Tage steht er
erst 19° von der Sonne.
Von Ressel habe ich äusserst interessante Untersuchungen 1 ) über
den Ring und 4. Trabanten des b und die Masse des letztem erhalten.
Wahrscheinlich hat er sie Ihnen auch mitgetheilt. Höchst sonderbar
ist es, dass er in Lilienthal aus 17 Beobb. den Durchmesser des Ringes,
auf die mittlere Entfernung des t) gebracht, 42,25", in Königsberg aber
nur 38,27" fand. An Irradiation ist, wie B[essel] mit Recht sagt, dabei
nicht zu denken; an eine grosse Ellipticität und langsame Rotation des
Ringes wohl auch schwerlich. — In Lilienthal brauchte er das Pro
jektions-Mikrometer, in Königsberg ein Heliometer. — Ich möchte noch
immer denken, dass Bessel’s Methode, die Unsicherheit beim Projek
tions-Mikrometer zu heben (von der er die Theorie sehr scharfsinnig
entwickelt), selbst nicht recht sicher sei. Mir scheint es, dass dabei
vorausgesetzt wird, dass beide Augen des Beobachters gleich weitsichtig
sind, welches sehr selten der Fall ist. Sollten sie gerade bei unserem
Bessel sehr ungleich in ihrer Weitsichtigkeit sein, so muss eben durch
seine Methode ein konstanter Fehler in den Messungen mit dem Pro
jektions-Mikrometer entstehen. Aber freilich 4", über y 1 ^ des Ganzen,
werden sich auch so nicht erklären lassen.
Der andere Umstand, dass der Ring auch dann noch sichtbar ge
blieben ist, wenn die Erde schon unterhalb oder oberhalb der erleuch
teten Ringebene gewesen sein sollte, würde aus einer Nutation der
Axe des Ringes zu erklären sein, wenn man diese aus der Theorie
der allgemeinen Schwere von der erforderlichen Grösse nachweisen
könnte, Ganz unbeträchtlich kann diese doch wohl nicht sein, da nach
Bessel’s Beobb. der 4. so grosse Trabant nicht in der Ebene des Ringes
seine Bahn hat, sondern die Bahn damit einen nicht unbeträchtlichen
Winkel macht.
Ich hoffe noch immer, Sie, mein theuerster Freund, diesen Michaelis
zu sehen. Lindenau hat leider seine Reise bis Weihnachten auf-
geschoben. Leben Sie wohl, lieber Gauss! Empfehlen Sie mich Ihrer
verehrungswürdigen Frau Gemahlin auf’s beste, und grüssen Sie alle
unsere Freunde. Erfreuen Sie mich bald mit einigen Zeilen und denken
Sie daran, dass Sie ein Werk der Barmherzigkeit üben, wenn Sie mir
recht viel astronomica mittheilen. — Selbst die nicht französischen
medicinischen Zeitschriften sind verboten.
0 Vergl. Brief von Bessel an Olbers, Königsberg, 1811 Juni 28; Briefwechsel
No. 187. Sch.