654
Olbers an Gauss. Bremen, 1817 Mai 9.
No. 888. Olbers an Gauss. [i86
Bremen. 1817 Mai 9.
Sie fragen mich, was ich von dem Einflüsse des Mondes auf Krank
heiten halte, und ob es keine solche Erfahrungen darüber gebe, die sich
nach der Wahrscheinlichkeitstheorie näher prüfen liessen? Von letzterer
Art kenne ich keine. Immer beruht alles auf unbestimmten Angaben
und Behauptungen. Auch glaube ich kaum, dass dort, wo Aerzte und
Publikum fest an einen solchen Einfluss des Mondes auf Krankheiten
glauben oder glaubten, wie es vor ein paar hundert Jahren durchaus
der Fall war, sich leweisende Erfahrungen darüber finden werden.
Der Glaube und die Einbildungskraft werden oft bewirken, was der
Mond an sich nicht bewirken kann. Mein Glaubensbekenntniss über
den Einfluss des Mondes auf unsere Erde würde für einen Brief etwas
lang werden. Haben Sie Geduld genug, eine halbe Viertelstunde daran
zu wenden, so bitte ich, beikommende Vorlesung, soweit ich sie mit
einem Papierstreifen eingeschlagen habe, mit gütiger Nachsicht durch
zusehen. Ich finde gerade Gelegenheit, Ihnen diese Vorlesung zu
schicken. Mir können Sie dieselbe bei einer andern Gelegenheit, allen
falls künftigen Michaelis mit einem abgehenden Bremer wieder zu
schicken.
Die angebliche Wirkung des Mondes auf die Brühe des Sauer
krautes liesse sich doch leicht untersuchen. Ich hörte schon vor ein paar
Jahren, dass Ihr Hofrath M[ayer] diese wunderliche Behauptung geäussert
habe. Mir, muss ich gestehen, ist dieses Angeben so läppisch vor
gekommen, dass ich noch gar nicht mal darüber bei Hausmüttern habe
nachfragen mögen.
Aber, mein theurer Freund, nun bitte ich Sie auch recht inständig,
mir mit ein paar Worten zu sagen, was Sie von der Einwirkung des
Mondes auf die Witterung halten.
Wenn bei dem, angeblich am 13. Apr. in Holland des Abends auf
wenige Minuten gesehenen Kometen überhaupt irgend etwas zu Grunde
liegt, so war es höchstens ein Meteor, von der Gattung der Feuer
kugeln. — Gestern Abend war die äusserst schmal erleuchtete Venus
und der unter ihr stehende Merkur sehr schön zu sehen; indessen nichts
Auffallendes daran zu bemerken. Ich würde die durch Dunstwolken
scheinende Venus für den vermeinten Kometen erklären, wenn nicht
dabei erwähnt wäre, dass man diesen in den Zwillingen wahrgenom
men habe.
Für die Nachricht von Schiller’s Coelum Christianum bin ich