Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 1. Abtheilung)

746 Gauss an Olbers. Göttingen, 1819 September 16. 
Auch den Nordstern habe ich schon öfters in beiden Kulminationen 
beobachtet, aber noch nicht ganz scharf reducirt. Doch ergiebt sich 
sehr übereinstimmend eine Vergrößerung von Bessel’s neuer Tafel von 
ca. 2" bis 3". Da jetzt die Aberration nahe am positiven Maximum 
ist und meine Beobb. im Mai, wo sie nahe beim negativen Maximum 
war, die Korrektion sehr nahe = 0 ergaben, so deuten also meine 
Beobb. auf eine Vergrösserung der Aberrationskonstante von etwa 0,5" 
im Bogen hin, die sich auch aus Bradley’s Beobb., sowie aus allen von 
Lindenatt diskutirten ergeben hat. Da damit aber Bessel’s Beobb. 
nicht harmoniren, so suspendire ich mein Urtheil noch, bis ich zahl 
reichere Beobb. an allen drei hiesigen Instrumenten erhalten habe. 
Die ganz bewundernswürdige Genauigkeit, die sich mit diesem In 
strument erreichen lässt, wird mich wohl veranlassen, damit noch einen 
Versuch auf die jährliche Parallaxe von einigen Sternen zu machen. 
Vielleicht entzieht sie sich doch so subtilen Beobb. nicht ganz. Leider 
geht die SHELTON’sche Uhr immer schlecht. Ich brauche seit einigen 
Wochen die BEPSOLD’sche, deren Gang zwar auch variabel ist, aber 
doch so, dass keine Sprünge in kleinen Zeitintervallen Vorkommen. Viel 
leicht wird diese Uhr, wenn sie mit einer Metallkompensation versehen 
ist, vortrefflich sein. 
Die Luft ist gegenwärtig gewöhnlich vortrefflich. Ich sehe £ TJrsae 
maj. bei seiner Kulmination nicht bloss als Doppelstern, sondern der 
Nebenstern, den unsere Verzeichnisse 6. Grösse setzen, ist so augen 
fällig, dass er noch viel schwächer sein könnte und doch sichtbar bleiben 
würde. Ich erinnere mich nicht, mit Bepsold’s Kreise den Versuch 
gemacht zu haben, allein Schumacher ist es früher nach M. C. XXIV Band 
auch damit gelungen, nur dass er den Stern £ unrichtig Alcor nennt. 
Zach hat daraus ein noch wunderlicheres Quid pro Quo gemacht, indem 
er den Hauptstern zwar richtig £ nennt, aber Alcor mit dem nur 15" 
entfernten Nebenstern verwechselt, und eine Stunde vor der O (d. i. 
vor Mittage) mit une heure avant le lever du O übersetzt. Alcor 
eine Stunde vor O-Aufgang sieht man ja immer mit blossen Augen, dies 
wäre also gar keine Kunst. — Die Schwierigkeit ist immer nur, die Stelle 
genau mit dem Auge zu pointiren, wozu der Hauptstern ein leichtes 
Mittel giebt; sonst, glaube ich, würde man bei günstiger Luft Sterne 
5. Grösse, die nicht zu nahe bei der O und hoch genug stehen, oft bei 
Tage mit den FRAUNHOEER’schen Fernrohren sehen, und ich vermuthe 
daher, dass dies mit dem Meridiankreise, wo man auch die Höhe vor 
her genau einstellen kann, trotz der etwas geringeren Oeffhnng ebenso 
leicht geschehen kann, als mit dem Mittagsfernrohr. Doch sehe ich 
mit diesem oft Sterne 4. Grösse, z. B. neulich t Cephei, bei Tage, oder 
vielmehr nördliche, ziemlich hoch stehende Sterne, die wirklich 4. Grösse
	        
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