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Gauss an Olbers. [Gottingen], 1821 Juli 8.
Hier haben wir noch immer sehr kalte Tage, die Ihnen, wie ich
glaube, bei den Messungen nicht unangenehm sein werden, da Sie vorzüg
lich grosse Hitze scheuen. So kalt wie in Gotha oder auf dem Seeberge
ist es aber hier nicht gewesen. Unser trefflicher Lindenau schreibt
mir, dass dort eine halbe Stunde nach Sonnen-Aufgang das Thermo
meter am 20. Juni -f-1°,3, am 21. —0°,7, 22. —0°,5, 23. -f-1°,2 also
zur Zeit der Sommer-Sonnenwende wirklich unter dem Frierpunkt ge
standen habe. Hier war das Thermometer in den angeführten Tagen
morgens um 7 Uhr doch immer noch -f- 8° Reaumur.
Von der Corresp. [astr.] des Hrn. v. Zach habe ich das 5. und
6. Stück für 1820 erhalten. Im 6. wird mir eine physikalische Beob.
über den letzten Kometen zugeschrieben, davon ich nichts weiss. Ver-
muthlich hat Zach den mir unbekannten Einsender meiner Kometen-
beobb. mit mir verwechselt. Im 5. Stück wird bei Gelegenheit des
untergeschobenen erdichteten Kometen von d’Angos den Verfassern des
Berlinischen Almanachs von 1749 die Erdichtung von Beobb. 1 ) des
Kometen 1701 Schuld gegeben und behauptet, dass Euler dies in
einem Briefe geschrieben habe. Das Wahre ist, dass die Redakteure
jenes Almanachs nichts erdichtet haben, und dass Euler auch kein
Wort von einer solchen Erdichtung schreibt. Es wird doch wohl gut
sein, diese an sich unbedeutende Fabel, die Pingre zuerst erfunden,
Zach aber nun noch ausgeschmückt hat, einmal zu widerlegen.
Mich langweilen die jetzigen dämmerungshellen Nächte, da ich den
Anblick des reichgestirnten Himmels so sehr liebe. Der Unterschied
in der Helligkeit der Sommernächte zwischen Göttingen und Bremen
ist schon sehr beträchtlich.
Sagen Sie mir doch mit zwei Worten, lieber Gauss, ob Hr. v. Staudt
wohl die Absicht hat, die vermeintliche Identität der Kometen von 1699
und 1799 zu untersuchen, oder ob ich mich deswegen an Encke wen
den soll?
In welcher Qualität ist Prof. Ulrich in Göttingen angestellt?
No. 424. Gauss an Olbers. 1 2 ) [iu
[Göttingen], 3 ) 1821 Juli 8.
In der Hoffnung, dass Sie meine Nachrichten, auch wenn sie wenig
Inhalt haben, mit einiger Theilnahme lesen, widme ich Ihnen heute
1 ) Hierüber hat sich Olbers auch später ausführlich in Schumacher’s A. N.
Ed. I No. 1 verbreitet. Siehe auch Olbers Bd. I. Persönliches No. 15, S. 189 ff. Knn.
2 ) Dieser Brief ist in deutscher Schrift geschrieben. Krm.
3 ) Nach dem Poststempel. Krm.