No. 381.
Olbers an Grauss.
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Bremen, 1820 Januar 24.
Schenken Sie eine Thräne des Mitleids Ihrem unglücklichen Freunde!
Mich hat wieder ein hartes — das härteste Schicksal getroffen. Meine
gute, meine treffliche, meine so innig geliebte Frau ist gestern morgen
um 1 Uhr nach einer zehntägigen Krankheit an einer Lungenentzündung
gestorben. Ach, Sie wissen nicht, was ich mit ihr verloren habe! Sie
war mir alles, sie sorgte für alles, für mein ganzes Hauswesen, für alles,
was ich auf der Welt habe, für mich selbst. Ich bin durch ihren Tod
nicht bloss Witwer geworden — ich bin wie verwaist! In meinem
62. Jahre stehe ich nun einsam, verlassen, unbehülflich da, so sehr mein
guter, selbst so tief gebeugter Sohn mich auch zu unterstützen sucht. —
Was auch noch aus mir werden wird, werden kann, weiss ich noch nicht.
Es ist ein Unglück, in dieser Welt alt zu werden. — Gott erhalte Sie,
und Ihnen alle, die Ihnen lieb sind.
No. 382. Grauss an Olbers. [m
Göttingen, 1820 Januar 31.
Mit innigster Betrübniss hat mich die Nachricht von Ihrem schweren
Verluste erfüllt. Gewiss ich fühle ganz, wie viel Sie verloren haben,
da ich so oft Zeuge Ihres glücklichen Lebens und der stillen Tugenden
der Verklärten gewesen bin. Wüsste ich doch etwas zu Ihrem Tröste
zu sagen. Aber es giebt keinen Trost bei so hartem Verhängniss, aus
eigner Erfahrung weiss ich’s, keinen, als den Hinblick auf eine höhere
Weltordnung, wie die ist, die wir mit unsem Zahlen ermessen. Möge
nur Ihr eignes Befinden, was allen, die Sie verehren und lieben, d. h.
allen, die Sie kennen, so theuer ist, nicht zu sehr bei diesem Unglücks
fall leiden. Möchten Sie sich doch nun bald entschliessen, die angrei
fende tägliche Praxis abzugeben, um sich der Welt, den Wissenschaften
Olbers. II, 2. 1