Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

No. 381. 
Olbers an Grauss. 
[ 209 
Bremen, 1820 Januar 24. 
Schenken Sie eine Thräne des Mitleids Ihrem unglücklichen Freunde! 
Mich hat wieder ein hartes — das härteste Schicksal getroffen. Meine 
gute, meine treffliche, meine so innig geliebte Frau ist gestern morgen 
um 1 Uhr nach einer zehntägigen Krankheit an einer Lungenentzündung 
gestorben. Ach, Sie wissen nicht, was ich mit ihr verloren habe! Sie 
war mir alles, sie sorgte für alles, für mein ganzes Hauswesen, für alles, 
was ich auf der Welt habe, für mich selbst. Ich bin durch ihren Tod 
nicht bloss Witwer geworden — ich bin wie verwaist! In meinem 
62. Jahre stehe ich nun einsam, verlassen, unbehülflich da, so sehr mein 
guter, selbst so tief gebeugter Sohn mich auch zu unterstützen sucht. — 
Was auch noch aus mir werden wird, werden kann, weiss ich noch nicht. 
Es ist ein Unglück, in dieser Welt alt zu werden. — Gott erhalte Sie, 
und Ihnen alle, die Ihnen lieb sind. 
No. 382. Grauss an Olbers. [m 
Göttingen, 1820 Januar 31. 
Mit innigster Betrübniss hat mich die Nachricht von Ihrem schweren 
Verluste erfüllt. Gewiss ich fühle ganz, wie viel Sie verloren haben, 
da ich so oft Zeuge Ihres glücklichen Lebens und der stillen Tugenden 
der Verklärten gewesen bin. Wüsste ich doch etwas zu Ihrem Tröste 
zu sagen. Aber es giebt keinen Trost bei so hartem Verhängniss, aus 
eigner Erfahrung weiss ich’s, keinen, als den Hinblick auf eine höhere 
Weltordnung, wie die ist, die wir mit unsem Zahlen ermessen. Möge 
nur Ihr eignes Befinden, was allen, die Sie verehren und lieben, d. h. 
allen, die Sie kennen, so theuer ist, nicht zu sehr bei diesem Unglücks 
fall leiden. Möchten Sie sich doch nun bald entschliessen, die angrei 
fende tägliche Praxis abzugeben, um sich der Welt, den Wissenschaften 
Olbers. II, 2. 1
	        
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