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Gauss an Olbers. Göttingen, 1823 März 10.
unterdrückt. Mich hat er bewogen, eine Anzeige des J[ahr]-B[uches]
in den hiesigen G. A., die ich sonst wohl gemacht hätte, abzulehnen.
Dass der Hr. Geh. K[abinets]-R[ath] H[oppenstedt] mir in der be
wussten Angelegenheit geschrieben, habe ich Ihnen bereits gemeldet.
Ich habe mich [fiir] verpflichtet gehalten, was sich über die Wichtigkeit
der in Frage stehenden Operationen sagen lässt, nachdrücklich vor
zustellen und namentlich auch die Gefahren einer längeren Verschiebung
derselben entwickelt. Es ist mir aber seitdem noch keine weitere Er
öffnung darüber gemacht.
Der Tod von Tralles hat die Angelegenheit mit B[erlin] wiederum
in Anregung gebracht. Vor 2 Monaten erhielt ich auf demselben in
direkten Wege wie vor einem Jahre eine Anfrage 1 ) mit der Bemerkung,
dass M[üefling] an der Realisierung der bewussten Bedingungen gar
nicht zweifle. Etwas Direktes ist seitdem noch nicht erfolgt. Inzwischen
hat sich hier ganz seit Kurzem das Gerücht verbreitet, dass ich einen
Ruf nach B[erlin] bekommen habe. Wie ich höre, schreibt sich dies
von einem jungen Gelehrten her, der ganz unlängst von Berlin hierher
gekommen ist. Dieser soll hier ausgesagt haben, „man wisse in Berlin,
„dass ich hier nicht zufrieden sei, und sei um so gewisser mich dorthin
„zu ziehen, da man alles dazu auf bieten werde, selbst wenn man bis
„zu einem Gehalt von 4000 Rtlilr. gehen müsse.“ Ich kenne diesen
Erzähler nicht und weiss nicht, aus welchen Quellen er geschöpft hat.
Indessen hat unser zeitiger Prorektor dieses Stadtgespräch, wie ich
höre, ernsthaft genommen und sogar, wie mir von glaubwürdiger Hand
versichert ist, darüber nach H[annover] berichtet. Mir ist dieses vorlaute
Geplauder unangenehm, da ich dadurch vielleicht in Lagen versetzt
werden könnte, die von meiner Seite die gemessenste Behutsamkeit
erfordern, damit meine Hoffnung, die mir noch übrigen Jahre auf eine
freudigere Art zu verleben, nicht durch Halbheiten verdorben werde.
Wie glücklich wäre ich, theuerster Olbers, wenn ich mich mit Ihnen
bereden und von Ihrer Freundschaft, Ihrer Weltkenntniss und Ihrem
sicheren Takt einige Winke über mein Benehmen erhalten könnte!
Meine Abhandlung über die Wahrscheinlichkeitsrechnung, von deren
zweiten Theil Sie vielleicht die Anzeige in No. 32 der hiesigen Gel. Am. 2 )
bemerkt haben, ist jetzt fast fertig gedruckt; sie wird Bogen stark.
Neulich habe ich auch einmal wieder einen kleinen rein mathematischen
Genuss gehabt, indem ich eine zierliche Auflösung der Aufgabe, die
0 'V ergl. Brief No. 10 von Lindenau an Gauss in K. Beuhns: Briefe zwischen
A. v. Humboldt und Gauss, ferner Brief No. 434 von Gauss an Olbeks, Brief
No. 137 von Bessel (Briefwechsel Gauss-Bessel), schliesslich Brief No. 169 von Gauss
an Schumacheb. Krm.
2 ) Gauss’ Werke Bd. IV, S. 100 ff. Krm.