250
Olbers an Gauss. Bremen, 1823 Mai 30.
No. 477. Olbers an Gauss. 1 ) [255
Bremen, 1823 Mai 30.
Nochmals meinen herzlichsten innigsten Dank für Ihren so erfreu
lichen, nur leider zu kurzen Besuch. Ich hoffe, Sie werden Ihre Reise
zu Ihrer Operationslinie wohl und glücklich zurückgelegt haben. Wenig
stens hat das Wetter Sie begünstigt.
Ihre Instruktion wegen der vom Thurme des Domes zu beobachten
den Bäume gab ich sogleich an Hrn. Senator Gildemeister. Dieser
hat auch schon am 27. Mai den Thurm bestiegen und seine Messungen
gemacht, worüber er mir die Einlage mit dem Aufträge, sie Ihnen
nebst seiner gehorsamsten Empfehlung zu senden, eingereicht hat.
Senator Gildemeister hat mir versprochen, wenn es irgend die
Witterung erlaubt, schon nächste Woche selbst mit Zuziehung des jüngeren
Blohm die Rekognoscirung der umliegenden Punkte vorzunehmen. Der
Hohe Sünder, eine andere Anhöhe bei Syke, Haverloh, Wilstedt, Worps
wede u. s. w. werden von ihm untersucht werden.
Ihre Briefe, * 2 ) mein theurer Gauss, über die eigene Bewegung unserer
Sonne habe ich wieder hervorgesucht und noch einmal mit vielem
Interesse und vieler Belehrung gelesen. Es sind in allem 4. Sie haben
nur zu befehlen, wann und wohin ich sie schicken soll.
Bei meinen damaligen Untersuchungen über diesen Gegenstand
wurde ich veranlasst, das von Bessel in den Fund[amentis] [Astrono
miae ] gegebene BRADLEv'sche Stern verzeichniss und besonders die
^ ergleicliung mit dem PiAzzi’schen genauer durchzugehen, und da war
es mir auffallend, dass die negativen Differenzen beider Verzeichnisse in
allen Punkten der AR so sehr vorherrschen. Dies deutet doch wohl
dahin, dass die von Bessel aus einer bestimmten Zahl der beiden Ver
zeichnissen gemeinschaftlichen Sterne abgeleitete Präcession doch noch
wohl etwas zu klein sei. Wenn der daraus entstehende konstante
Fehler aller eigenen Bewegungen der Fixsterne auch keinen sehr merk
lichen Einfluss auf die daraus zu findende Richtung der Bewegung
unserer Sonne hat, so glaube ich doch, dass sich alles am Ende noch
besser in Harmonie bringen lassen würde, wenn dieser Umstand be
seitigt werden könnte.
) Zwischen den Briefen No. 476 und 477 liegt der nur wenige Tage währende
Besuch Gauss und seines ältesten Sohnes bei Olbers in Bremen. Krin.
2 ) Brief No. 436, 438 440. Offenbar hat Gauss hei seiner Anwesenheit in
Bremen um Zurücksendung dieser Briefe gebeten, da er seine Untersuchungen über
die Bewegung des Sonnensystems nach Brief vom 5. Nov. 1823 an Bessel (Brief
wechsel Gauss-Bessel No. 140) fortsetzen wollte. Krm.