Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 December 18. 359
Kern gesehen haben. Wie der Kern des Kometen hell, und heller als
der ihn umgebende Dunstkreis erscheinen könne, ist schwer zu begreifen.
Denn wenn man auch, mir unwahrscheinlich, annehmen wollte, dass der
Kometenkern eigenes Licht habe, so ist dieses eigene Licht doch auf alle
Fälle gegen Sonnenlicht als dunkel anzunehmen, und kann schlechter
dings nicht durch das Dämpfglas dringen. Auch kann ich mir nicht
denken, dass der Komet mit seiner Atmosphäre, gleichsam als ein Ob
jektiv, ein Sonnenbild in einer Art von Fokus darstelle, um so weniger,
als ich mich bisher überzeugt gehalten habe, dass die Kometen-Atmo-
sphäre gar keine merkliche Refraktionskraft auf Lichtstrahlen äussere.
— Ueberhaupt ist es sonderbar, dass sich die Astronomen, deren Beobb.
über die Sonnenfläche am 26. Juni mir bekannt geworden sind, sich so
sehr widersprechen. Ich habe jetzt 3 Zeichnungen der Sonnenscheibe
am 26. Juni 1819, und ausserdem noch 4 Beschreibungen derselben ohne
Zeichnungen vor mir, die sich alle in Ansehung der Zahl und der Lage
der auf derselben damals befindlichen Flecken durchaus widersprechen.
Von den Zeichnungen ist die eine von dem famosen Kanonikus Starke
in Augsburg (der auch den Kometen vor der Sonne, doch als dunkeln
Fleck, gesehen haben will), die zweite von Prof. Heinrich in Regens
burg, doch nicht in der Durchgangszeit des Kometen aufgenommen, und
nun die dritte von Pastorff. — Ich gestehe, dass ich die von dem ehr
lichen Prof. Heinrich, der mir die Abschrift seines Tagebuches vom
15. Juni bis 3. Juli mit 6 Zeichnungen mitgetlieilt hat, für die zuver
lässigste halte. Nie hätte ich geglaubt, dass es so schwierig sei, über
eine so einfache Thatsache ins Reine zu kommen.
No. 548. Gauss an Olbers. [255
Göttingen, 1824 December 13.
Meinen herzlichsten Dank für Ihre beiden Briefe vom 20. Nov. und
6. Dec.; den letzteren habe ich erst heute erhalten.
An unseren Freund L[indenau] wegen der bewussten Angelegenheit
zu schreiben, habe ich mich nicht entschlossen können. Es widerstritt
meinem Gefühl, in der Sache mich anders als passiv zu verhalten, auch
hätte ich ihm den ganzen Stand derselben nicht eröffnen dürfen. Dem-
ungeachtet sind nun vor wenigen Tagen durch eben diesen Freund
bestimmte Anträge an mich gelangt, die er von dem dazu autorisirten
Gfeneral] v. M[üfeling] x ) erhalten hatte, und es wird also von mir
9 Siehe Briefwechsel A. v. Humboldt-Gauss, Brief No. 14, 1824 Nov. 28, Müff-
ling an Lindenau und No. 15, 1824 Dec. 4, Lindenau an Gauss. Der erste Brief ist
im Anhang zu diesem Bande wieder abgedruckt. Krm.