Gauss an Olbers. Göttingen, 1824 December 17.
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wissenschaftliche Arbeiten zu verwenden, würde ich doch immer erst
nach mehreren Jahren gelangt sein, wenn ich nebst allen Familien-
Verhältnissen dort erst ganz einheimisch geworden wäre, und auf aus
gebreiteten Einfluss auf fremde wissenschaftliche Angelegenheiten, der
doch wohl oft mit Störung der eigenen Ruhe und verdriesslichen Kol
lisionen erkauft werden muss, lege ich keinen hohen Werth. Das einzige
Opfer ist wohl, dass man gewiss an einem grossen Orte viel angenehmer
lebt und sich leichter einen ansprechenden Umgangskreis bildet. In
zwischen werde ich mich dafür durch öftere Reisen schadlos halten
können. Und nun besonders, wie viel weiter wäre ich von Ihnen ent
fernt! Jetzt werde ich Sie nun wieder im Frühjahr in Bremen um
armen, und Sie, mein geliebter Olbers, werden mich wieder auf einer
freundlichen Dreieckstation besuchen. Alles erwogen, danke ich de-
müthig und innig der höheren Hand, die die Zufälligkeiten und kleinen
Umstände so gefügt hat.
Die Gesundheit meiner Frau hat sich ausnehmend gebessert. Etwas
beunruhigt mich jetzt ihretwegen, dass mein zweiter Sohn seit einigen
Tagen von den Masern befallen ist, da sie selbst (so wie meine beiden
jüngsten Kinder) sie gleichfalls noch nicht gehabt hat, und doch nicht
abzuhalten ist, sich ganz der Pflege des kranken Kindes zu widmen.
Doch sind die Masern hier diesmal sehr gutartig, und unser Arzt hat
jetzt schon 58 Kranke davon kurirt, ohne dass eine nachtheilige Folge bei
einem einzigen nachgeblieben wäre. Ich selbst bin seit den letzten 8 Tagen
auch nicht ganz wohl gewesen, und es scheint fast, dass die Entwöhnung
von dem Aufenthalt im Freien, wozu das schlechte Wetter zwingt, mich
einen Theil von dem wieder zusetzen lässt, was ich in den zwei letzten
Monaten meiner diesjährigen Campagne gewonnen hatte. Ohne diesen
Umstand wäre ich vielleicht in diesen Tagen selbst nach Hannover
gereist.
Von Schumacher habe ich seit beinahe 2 Monaten gar nichts
gehört.
Leben Sie wohl, mein theuerster, mir nun wieder näher gerückter
Freund.
P. S. Sie schrieben mir vor längerer Zeit einmal, dass Oltmanns
als Professor der Mathematik nach Berlin gehen werde? Hat sich dies
bestätigt, und ist er bereits dort, oder noch in Ostfriesland? Ich er
innere mich nicht, in öffentlichen Blättern von dieser Anstellung Er
wähnung gefunden zu haben.