Gauss an Olbers. Langwarden, 1825 Juli 11. 421
gross gehalten habe, wie er zu sein scheint. Ich fand nämlich, dass
sämmtliche hiesige Messungen, insofern sie nicht sonst unter verdächtigen
Umständen gemacht waren, z. B. starkem Wind, unruhiger Luft, die hier
oft oder gewöhnlich sogar in den anderwärts fast immer besseren
späten Nachmittagsstunden Statt hat*), sich ganz gut unter einander
vertrugen, wenn ich nur die Messungen auf das Bremerleher Heliotrop
licht (die freilich gerade die zahlreichsten waren) ausschloss; allein diese,
obwohl gewöhnlich unter sich in den einzelnen Reihen liarmonirend,
passten nicht zu dem Ganzen und differirten auch zuweilen unter sich
sehr stark, wenn ich allein oder mit meinem Sohne zusammen versuchs
weise gemessen hatte. Dies führte auf die Yermuthung, dass (wenn
nicht sonst quid pro quo’s dort vorgefallen) das Pointiren auf das
Heliotroplicht in der noch nicht 3 Meilen entfernten Laterne, die ge
wöhnlich deutlich miterscheint, fehlerhaft 1 ) ist, indem das Auge das nicht
reine Fadenintervall nicht unbefangen bisecirt. Es wäre jetzt zu weit
läufig, Ihnen zu schreiben, was mich noch in dieser Yermuthung mehr
bestärkte. Gestern habe ich nun das Bremerleher Licht auf andere
Weise, nämlich immer auf einen Faden pointirt, und die sehr zahl
reichen so gemachten Messungen stimmen nun unter sich und mit den
übrigen, wo die Richtung nicht entrirt, sehr gut, aber nicht mit den
früheren. Der Unterschied scheint im Pointiren auf mehr als 2" bis 3"
gehen zu können und zwar gerade in dem Sinn, wie ich es nicht er
wartete, obgleich es auch so psychologisch sehr natürlich sein mag.
Das Licht erscheint nicht im Centrum der etwa 30" breiten Laterne;
es sollte nach der dortigen Abmessung etwa 1"-| rechts erscheinen,
aber das Ensemble aller Messungen zeigt, dass ich immer wohl 4" rechts
pointirt haben muss. „Man ist sich also wohl, wenn auch nicht deut
lich, bewusst, dass das Licht seitwärts von der Mitte ist, und thut,
„um dies gewiss zu berücksichtigen, mehr als man sollte.“ Wenn ich
übrigens oben sagte, dass die Laterne gewöhnlich deutlich erscheint, so
ist dies doch nicht so zu verstehen, dass diese Deutlichkeit immer so
gross ist, wie zu einem ganz scharfen Sehen erfordert wird. Allein die
Erfahrung zeigt nun, wie es scheint, dass es gewöhnlich auf eine nach
theilige Weise genirt. Bei dem Pointiren von Brillit auf Zeven tritt
*) Ihr Vorschlag, zu anderer Tagesstunde zu messen, scheint in Ihrer Voraus
setzung gegründet, dass dies möglich ist; allein 100faltige Erfahrungen zeigen mir,
dass wenigstens hei Sonnenschein die Vormittags- und frühen Nachmittagsstunden
niemals deutliches Sehen erlauben, die ganz frühen Morgenstunden aber höchst selten
auf sehr kurze Zeit, daher es sehr schwierig sein würde, bei solchen alle Jahr ein
paar Mal eintretenden Fällen Heliotroplicht am Platze zu haben.
x ) Zu diesem Pointirungsfehler äussert sich Gauss auch im Brief No. 631 vom
18. Juli 1828. Krm.