Full text: Wilhelm Olbers (2. Band, 2. Abtheilung)

Gauss an Olbers. Gottingen, 1826 April 2. 
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der Kometen 1772, 1805 für höchst wahrscheinlich zu halten. 1 ) Ich 
habe diese Ansicht niemals so stark, als ich sie hatte, aussprechen mögen, 
um diejenigen Astronomen nicht zu kränken, die sich etwas schneidend — 
absprechend dahin geäussert hatten, dass die Verschiedenheit bewiesen 
sei; ich begnügte mich zu zeigen, dass dies nicht bewiesen sei, und muss 
wohl dabei jener persönlichen Rücksicht zu viel Raum gegeben haben, 
da Sie — falls Sie nicht meine Gründe gemissbilligt haben — die 
Identität, nach den Akten 1 ), auch für höchst ^wahrscheinlich erklärt 
haben. Ich bin öfter in wissenschaftlichen Dingen in Dilemmas ge 
kommen, wo die Kasuistik mich vielleicht irre geführt hat. In rein 
mathematischen Dingen, wo sich strenge Beweise führen lassen, spreche 
ich mich ohne Scheu frei und klar aus; wo es aber auf das individuelle 
Abschätzen von Wahrscheinlichkeit ankommt, so lange solches noch 
nicht nach mathematischen Principien durch Zahlen geschehen kann, 
bin ich immer schüchtern; das absprechend ausgedrückte Urtheil eines 
Mannes, den ich hochachte, macht mich, wenn es meiner eigenen An 
sicht widerspricht, stutzig, und wenn ich auch nach wiederholter viel 
seitiger Ueberlegung auf jene zurückkomme, mag ich doch ungern meine 
eigene Ansicht jener schroff entgegenstellen. Und doch weiss ich wieder 
nicht, ob ich darin nicht wieder Unrecht thue. Auf alle Fälle erlauben 
Sie mir, theuerster Olbers, bei dieser Veranlassung Ihnen aufrichtig 
das Geständuiss abzulegen — ich weiss in der Tliat nicht, ob wir je 
darüber gesprochen haben —, dass in Beziehung auf eine andere An 
gelegenheit, ich meine den vielbesprochenen astronomischen Betrug von 
d’Angos * 2 ) ich in Encke’s Rechnungen, obwohl sie einen solchen aller 
dings — besonders insofern man sonst Verdacht gegen d’Angos’ Ehrlich 
keit zu haben berechtigt war — sehr wahrscheinlich machten, doch 
noch lange keinen Beweis dafür habe finden können, und dass mir 
scheint, dass dazu viel tiefer eindringende Untersuchungen erforderlich 
gewesen wären. Was übrigens mein subjektives Gefühl in Beziehung 
auf die Identität der Kometen 1805, 1772 betrifft, so ist der eigentliche 
Grund dafür der, dass, wenn man sich die einzelnen 5 Elemente der 
Kometenbahnen ganz durch Zufall bestimmt denkt, eine ungeheuer 
geringe Wahrscheinlichkeit da ist, dass 2 in allen Stücken nicht mehr 
von einander differiren als jene Kometen; nun habe ich aber gezeigt, 
dass jene noch beträchtlichen Unterschiede die Möglichkeit einer höchst 
0 Vergl. Olbers Bd. II, 1, S. 279, 285, 292, 294, 296—297, 299—301, Brief 
wechsel Gauss-Bessel, S. 25, 27—35, 38—41, Olbers-Bessel Bd. I, S. 21, 27, 29, 34, 
39—42, schliesslich Gauss’ Werke Bd. VI, S. 268—269, 272—276, 451—453. Siehe 
auch das Cirkular No. 267 im Briefwechsel Gauss-Schumacher Bd. II, S. 48 ff. Kruu 
2 ) Vergl. hierzu auch Brief No. 398 v. 9. Jan. 1821 von Olbers an Gauss und 
die Anmerkung auf S. 51. Krm.
	        
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