Gauss an Olbers. Gottingen, 1827 März 1.
471
dass Sie die zweite Begründung in der Th. Comb. Obs. meinen, nicht die
erste in der Th. Mot. Corp. Coel., die damit nichts gemein hat?
Meine 1 ) Abhandlung oder vielleicht richtiger meine erste Abhand
lung über die krummen Flächen * 2 ) habe ich vollendet; ich werde sie aber
der Societät noch nicht übergeben, da doch auf die Ostermesse kein Band
herauskommt. Die beiden von mir 1825 und 1826 übergebenen Abhand
lungen über die Biquadratischen Reste 2 ) und Suppl. Th. Comb. Obs. 2 )
sind noch nicht zu drucken angefangen. Jene Abhandlung enthält zur
unmittelbaren Benutzung in meinem künftigen Werk über die Messung
eigentlich nur ein paar Sätze, nämlich 1) was zur Berechnung des
Excesses der Summe der 3 Winkel über 180° in einem Dreiecke auf
einer nicht sphärischen Fläche, wo die Seiten kürzeste Linien sind,
erforderlich ist, 2) wie in diesem Fall der Excess auf die drei Winkel
ungleich vertheilt werden muss, damit die Sinus den Seiten gegenüber pro
portional werden. In praktischer Biicksicht ist dies zwar ganz unwichtig,
weil in der Tliat bei den grössten Dreiecken, die sich auf der Erde messen
lassen, diese Ungleichheit in der Vertheilung unmerklich wird, aber die
Würde der Wissenschaft erfordert doch, dass man die Natur dieser
Ungleichheit klar begreife. Und so kann man allerdings hier, wie
öfter, ausrufen: Tantae molis erat, um dahin zu gelangen. — Wichtiger
aber als die Auflösung dieser 2 Aufgaben ist es, dass die Abhandlung
mehrere allgemeine Principien begründet, aus denen künftig in einer
speciellen Untersuchung die Auflösung von einer Menge wichtiger Auf
gaben abgeleitet werden kann.
Ich komme noch einmal auf den im Anfang dieses Briefes erwähnten
Gegenstand zurück. Ich habe bei allen meinen Hülfstafeln und Bech-
nungen Walbeck’s Abplattung — * _ 3 ) zu Grunde gelegt, aber ich
oUijj (o
glaube, dass die sämmtlichen bisherigen Gradmessungen, wenn man ihre
Daten vollständig aufnähme, zeigen würden, dass die ÖABiNE’sche Ab
plattung gig' beinahe ebenso gut damit würde vereinigen lassen,
und es scheint mir, dass alle bisher vorhandenen Gradmessungen noch
viel zu kleine Ausdehnung haben, um die Abplattung in engere Grenzen
einzuschliessen. Was gewiss ist, ist, dass die Erde ein unregelmässiger
Körper ist; die Polhöhe der Orte (ganz abstrahirt von Beobachtungs-
Fehlern) schwanken immer mehrere Sekunden (vielleicht hier und da
*) Von hier ab bis „beurtheilen können“ wieder abgedruckt in Gauss’ Werken
Bd. IX, S. 377—879. Krm.
2 ) Vergl. Brief No. 627 und die betreffende Anmerkung. Zur Abh. über die
Biquadrat. Beste siehe auch Brief No. 552 vom 20. März 1825. Krm.
3 ) Vergl. Brief No. 523 vom 6. Juli 1824 und die Anmerkung 2 auf S. 333. Krm.