Olbers an Gauss. Bremen, 1828 August 12. 513
nicht heissen oder warmen Körpern sehr nahe ist, fast absolut kalt sei.
Strahlende Wärme kann ihn gar nicht erwärmen; er hat also in jedem
Punkt nur die Wärme, die ihm benachbarte warme Körper nach den
Gesetzen der Verbreitung nicht strahlender Wärme mittheilen können.
Diese Wärme nimmt mit dem zunehmenden Abstande sehr schnell ab
und ist selbst bei der Sonne schon in einem mässigen Abstande sehr klein.
Den Punkt der absoluten Kälte halte ich gar nicht so unermesslich
tief unter der Wärme des frierenden Wassers, als einige Physiker an
nehmen. Soweit unsere Versuche reichen können, verhält sich immer
das Volumen einer Masse von Luft unter gleichem Druck wie ihre
Wärme. Nun dehnt sich dieses Volumen vom Gefrierpunkt bis zum Siede
punkt, also für 100° des Centesimal-Thermometers, in dem Verhältniss
von 1:1,375 aus. Wenn nun auch jenes Gesetz, dass das Volumen
der Luft bei gleichem Druck sich immer wie die Wärme verhalte, für
sehr niedrige Temperatur-Grade nicht in aller Schärfe wahr bleiben
kann (denn das Volumen der Luft kann bei 0° der absoluten Wärme
nicht =0 werden), so wird doch, wenn man bedenkt, dass die Luft
sich schon bis auf -g-^ ihres Volumens zusammenziehen muss, ehe sie
zu einer tropfbaren Flüssigkeit von der Dichtigkeit des Wassers werden
kann, die Abweichung von diesem Gesetz nicht gross sein. Bliebe das
Gesetz richtig, so würde also der Punkt der absoluten Kälte —266° |
des Centesimal-Thermometers sein; und ich glaube wirklich, dass die
absolute Kälte nicht viel von diesem Grade verschieden ist, wenn sie
auch noch einige Grade tiefer liegen sollte.
Denke ich mir nun eine Masse von Gas von mässiger Temperatur
in diesem fast absolut kalten Weltraum, so wird sie sich ausdehnen;
aber so wie ihr Volumen wächst, nimmt ihre Temperatur ab und bald
wird die Wärme an ihrer Oberfläche so klein, dass ihre ausdehnende
Kraft nicht mehr die wenn gleich schwache Anziehung der Gastheilchen
unter sich überwinden kann. Hier hört also die Ausdehnung des Volu
mens auf, und so nehme ich mit Wollaston eine begrenzte Atmosphäre
der Weltkörper und auch der Kometen an.
Im Beharrungszustand wird die Dunstmasse 1) eine sphärische Ge
stalt annehmen, 2) im Schwerpunkt am dichtesten, aber auch am wärm
sten sein. Vom Mittelpunkt bis zur Oberfläche nimmt diese Wärme
wahrscheinlich nach den Ordinaten einer logarithmischen Linie ab.
3) Von der strahlenden Wärme der Sonne erhält jedes Partikelchen
der Dunstmasse eine Wärme, die irgend einer Funktion seiner Dichtig
keit und zugleich einer bekannten Funktion seines Abstandes von der
Sonne proportional ist. Da wahrscheinlich die Wärme, die ein solches
Gaspartikelchen von den Sonnenstrahlen annehmen kann, nahe im Ver
hältniss seiner Dichtigkeit steht, diese Dichtigkeit hier aber so äusserst
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