526
Gauss an Offers. Göttingen, 1829 Oktober 12.
Auch mir hatte Lindenau schon für vorigen Monat einen Besuch
versprochen, aber bis jetzt nicht Wort gehalten.
Mein eigenes Leben ist in diesem ganzen Sommer sehr einförmig ge
wesen; abgerechnet zwei Reisen nach Hannover — im März zn einer Kon
ferenz der Maass-Regulirungs-Kommission, und im Mai zur Regulirung
der in diesem Jahre auszuführenden Triangulirungsarbeiten — bin ich
fast gar nicht aus meinen 4 Pfählen herausgekommen. Mein Plan war,
dass meine drei Officiere, Müllee, Haetmann und mein Sohn, ein
Dreiecksnetz erster und zweiter Ordnung vornehmen sollten in den
Westfälischen Landestheilen; ersterer sollte erst das Land bereisen und
Vorbereitungen treffen, während Haetmann im Hildesheimschen und
mein Sohn im Eichsfelde noch einige Lücken für die Detailaufnahme
ausfüllten; hernach sollten alle drei in Westfalen gemeinschaftlich
agiren, und im Sept., der sonst in Norddeutschland immer schönsten
Jahreszeit, dachte ich nach Vollendung meiner Vorlesungen und einer
anderen Arbeit noch auf einen Monat selbst ins Feld zu gehen und
dann die Nähe von Bremen zu benutzen, um dort meinen theuren Olbees
zu umarmen.
Leider hat sich wegen vielfacher Hindernisse alles ganz anders
gefügt. Mein Sohn hatte seine Aufgabe, die allerdings die kleinere
war, binnen 14 Tagen vollendet und reiste dann Anfangs Juni über
Nienburg, um Müllee aufzusuchen, von dem noch keine Nachrichten
eingelaufen waren; in Uchte, Wagenfeld, Osnabrück und Iburg verfolgte
er seine Spur, aber immer war jener schon abgereist. Er blieb also
zuletzt in Iburg, um auf dem Dörnberge, einem Hauptdreieckspunkte,
wo die Preussen an dem vormals EpAiLLT’schen Platze vor einigen
Jahren wieder eine Signalpyramide errichtet haben, die Messungen an
zufangen, aber schon nach wenigen Tagen wurde er durch einen Brief
von Müllee nach Twistringen abberufen. Jener fing hier die Messungen
an, während Müllee noch die Einrichtungen auf dem Thurme von
Asendorf vorbereitete; dann wurde letztere Station gemeinschaftlich
vorgenommen, wobei der Steinberg (mein Dreieckspunkt bei Verden
von 1824) durch Heliotroplicht verbunden wurde. So war bei stets sehr
ungünstigem Wetter der Anfang des Juli herangekommen, als Müllee
infolge eines anderen vom Ministerium ihm ertheilten Auftrags zu einer
Reise nach Dresden, Wien etc. für dieses Jahr ganz von den Messungs
arbeiten abgerufen wurde.
Da zu dieser Zeit Haetmann mit seiner Aufgabe im Hildesheim
schen noch lange nicht fertig war, so blieb also mein Sohn für die
grosse Triangulirungsarbeit allein; er wurde überdies vom Wetter,
welches seit 1821 in keinem Jahre so schlecht gewesen war, gar nicht
begünstigt, und hatte auch ausser den erzählten Arbeiten vom gegen