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Gauss an Olbers. Göttingen, 1881 December 10.
Sie erkennen in dem Militärdienste das beste Mittel, mancherlei
Laster wie Faulheit, Unordnung etc. auszutreiben. Dies ist auch ganz
meine eigene Ansicht. Dass der Soldat in Nord-Amerika so gut be
zahlt, gekleidet und verpflegt wird, hatte ich früher nicht einmal ge
wusst; so weit wird es jedoch wohl damit nicht gehen, dass nicht ein
so unsinniger Verschwender auch noch eine gute Schule der Frugalität
und Nüchternheit darin sollte finden können. Soll aber eine solche
Schule anschlagen, so darf sie, wo die Laster so eingewurzelt waren,
nicht zu kurz sein. Fünf Jahre sind, wie auch Sie zu denken scheinen,
nicht zu viel, und wenn die einfache Dosis nicht wirkt, so wird es die
doppelte thun müssen. Danach hätten wir also das Resultat. Bringt
übrigens die Schule ihn früher zur Vernunft, wozu auch gehört, dass
er sich in seine Lage fügen lernt, so kann es ihm unmöglich schwer
werden, bald zum Unterofficier zu avanciren und nach fortgesetztem
guten Betragen bei seinem künftigen Austritt irgend einen kleinen,
seinen Mann nothdürftig nährenden Dienst zu erhalten, wobei er dann
nach 7 Jahren, wenn er vollgültige Beweise seiner Würdigkeit gegeben
hat, eine für solches Verhältniss nicht ganz unerhebliche jährliche Zu
busse erwarten kann. Ich wüsste wahrhaftig nicht, durch was er be
rechtigt wäre, höhere Ansprüche zu machen.
Dagegen bemerken Sie, dass Hr. Bredenkamp es für ein grosses
Glück für ihn anzusehen scheine, wenn er aus jenen Verhältnissen
wieder befreit würde. Nach dem ganzen Zusammenhang Ihres Briefes
hält jedoch Hr. Bredenkamp solche Befreiung noch nicht an und für
sich für ein grosses Glück, sondern nur unter der Voraussetzung, dass
dann ein anderer seine Sustentation auf unbestimmte Zeit übernähme.
Unter solcher Voraussetzung würden ohne Zweifel sämmtliche Soldaten
von Nord-Amerika ihre Entlassung aus dem Dienste für ihr grösstes
Glück halten.
Sollte nun aber gar an seine Entlassung aus dem Militär die Noth-
wendigkeit, ihn, ohne dass er auch nur den kleinsten Beweis der Würdig
keit oder reeller Besserung gegeben hat, nach Europa zurückzurufen, ge
knüpft werden müssen, so gestehe ich, dass ich daran nur mit wahrer
Seelenangst denken kann. Sie nennen es einen kostbaren Versuch; er
würde es auch noch in anderem Sinne werden. Dass mit seiner bisherigen
Individualität ein V iederanfangen juristischer Studien zu einem gedeih
lichen Resultat führen könne, dazu habe ich gar kein Vertrauen (nicht
einmal des Umstandes zu gedenken, dass gerade Gerling, mit welchem
ich auch in Beziehung auf das traurige Verhältniss korrespondirt habe,
auf das Entschiedenste seine jetzige Militärschule für das beste Besse
rungsmittel hält); ebenso wenig wüsste ich in Europa eine andere
Karriere für ihn, als die eines auf fremde Kosten lebenden Tagediebes.