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Gauss an Olbers. Göttingen, 1832 August 2.
Ich habe schon, so wie meine Apparate sich nach und nach vervoll-
kommneten, eine beträchtliche Anzahl vorläufiger Versuche gemacht,
und die letzten werden der Wahrheit, soweit es in meinem Lokal
möglich ist, schon sehr nahe kommen; doch habe ich erst neulich
wieder neue Vervollkommnungen hinzugesetzt, nämlich Vorkehrungen,
um alle Distanzmessungen dabei mit mikroskopischer Schärfe auszu
führen. Auch hierbei ist mir Freund Weber durch Mittheilung seiner
Hülfsmittel äusserst hilfreich gewesen.
Jene Vorlesung hoffe ich binnen einigen Monaten ausarbeiten zu
können, und einen kleinen Anfang habe ich bereits damit gemacht,
indem ich eine Einleitung aufgeschrieben habe, die das Wesentliche
der Grundideen in einer mehr populären Darstellung entwickelt. Es
scheint, dass wenige Personen hiervon bisher eine klare Vorstellung
haben. Da es Sie vielleicht interessirt, diese Einleitung zu lesen, so
habe ich mein Brouillon abschreiben lassen (Harding hat die Gefällig
keit gehabt), und ich lege solche Abschrift 1 ) hier bei. Bei der Bestim
mung, welche der Aufsatz, wozu diese Einleitung gehört, haben soll,
ist es unnöthig zu bemerken, dass ich diese Mittheilung als bloss für
Sie bestimmt betrachten muss. Finden Sie, mein theurer Olbers, sich
aufgelegt, diesem Aufsatz Ihre Aufmerksamkeit zu schenken, und wün
schen über eines oder anderes darin weitere Aufklärung, so wird es mir
die grösste Freude sein, jeden Wink zu befolgen. Dieses Mal noch ein
paar Worte über die Schärfe meines Apparates.
Die absolute Dekl. wird mit grösster Leichtigkeit erhalten. Zwei
Sekunden sind eine bestimmt sichtbar gemachte Grösse. Luftzug kann
aber allerdings bedeutend grössere Anomalien hineinbringen. Die täg
liche Variation kann man besonders in den Vormittagstunden, wo sie
am schnellsten ist, schon nach einigen Zeitminuten sicher erkennen.
Bei Beobachtung der Schwingungsdauer einer Nadel lässt sich eine
Schärfe erreichen, die ich selbst früher für unglaublich gehalten haben
würde. Die Momente, wo eine Dauer zu Ende ist, haben nie einen
Fehler von y 1 ^ Sekunde, sondern stets nur einige Hunderttheile. Ich
beobachte nur kleine Schwingungen, d. i. ich fange ungefähr da an,
wo man sonst aufhörte, und doch schwingt meine Nadel so, dass ich
nach 6 oder 8 Stunden noch die Momente mit grosser Sicherheit obser-
vire; habe ich eine neue Nadel eingehängt, deren Schwingungsdauer
noch unbekannt ist, so observire ich nur einige wenige Schwingungen
zu Anfang und kann dann getrost auf einige Stunden in die Stadt
gehen, wo nach meiner Zurückkunft von einer Ungewissheit, wie viele
Schwingungen unterdessen gemacht sind, gar keine Bede sein kann. *)
*) Die Abschrift ist bei den Originalbriefen nicht mehr vorhanden. Krm.