Olbers an Gauss. Bremen, 1821 Februar 27. 77
Es findet sich nämlich in den Philos. Transact. vom Jahr 1811 eine
ganz ähnliche Abhandlung von Francis Baily, die auch zu demselben
Resultat führt. Baily hat Bürg’s Mondtafeln gebraucht. Wenn dies
aber nun auch für Oltmanns nicht ganz angenehm ist, so wird es für
uns immer wichtig [sein], zu wissen, dass zwei Astronomen unabhängig
von einander aus den neuesten Mondtafeln nur die Finsterniss vom
30. Sept. 609 a. C. als zu Herodot’s Erzählung passend haben auffinden
können, und dass also diese Sache als völlig abgethan zu betrachten
sei, wenn wir uns auf die Säkularbewegung des Mondknoten schon
sicher verlassen dürfen.
Am 5. Febr. habe ich die Erscheinung im Monde 1 ) gesehen, die
man einen Mondvulkan genannt hat, auch gleich darüber an Prof.
Harding geschrieben. Hier wörtlich, was ich in meinem Tagebuche
der Kometenbeobb. darüber sogleich niedergeschrieben habe. „Am 5.
sehr heiter, aber schon Mondschein. In dem dunklen Theil des Mondes
sah ich noch nie das Phänomen, das man für einen brennenden Vulkan
im Monde gehalten hat, so deutlich und auffallend, wie diesen Abend.
Es schien wie gewöhnlich im Aristarch zu sein. Es war klein, aber
ganz auffallend heller als der übrige Theil des von der Sonne nicht
erleuchteten Mondes, ganz sternähnlich, und hatte eben das Ansehen
wie ein Südost vom Monde stehender Fixstern 6. Grösse.“ (Südost ist,
wie ich gewiss weiss, ein Schreibfehler, es muss Nordost heissen.)
Da es am 6. Febr. trübe war, habe ich mich nicht weiter danach
umgesehen. Nun lese ich aber in den Englischen Zeitungen’): „Kapt.
Kater habe am 7. Febr. der königlichen Societät zu London eine Nach
richt über einen von ihm im Monde gesehenen Vulkan mitgetheilt.
Er habe sich durch fortgesetzte Beobb.wirklich überzeugt, dass es ein
im Ausbruche begriffener Vulkan sei.“
Es scheint also, dass Kater dieselbe Erscheinung gesehen, nur
weiter verfolgt habe, die auch mir am 5. Febr. auffiel. Seine Ueber-
zeugungsgründe, dass dies wirklich ein brennender Vulkan war, muss
ich erwarten. Ich glaube an keinen brennenden Mondvulkan, der nach
allem, was wir von der Beschaffenheit des Mondes und seiner so zweifel
haften Atmosphäre wissen, fast unmöglich scheint. Vielmehr glaube ich,
dass sich die Erde in einer ebenen, merklich platten, fast einer polirten
x ) Diese ObBERs’sche Mittheilung über die Erscheinung des Mondvulkanes findet
sich mit geringen Änderungen auch in den Gött. Gel. Anz., Stück 46, in Gauss' Werken
Bd. VI, S. 436—437 und Olbers’ Werken Bd. I, S. 575—577. Vergl. auch Briefwechsel
Olbers-Bessel Brief 289 an Bessel. Olbers kommt auf diesen Gegenstand in dem
nächsten Briefe тот 5. März noch einmal ausführlich zurück. Krm.
2 ) Vergl. hierzu Olbers’ Werke Bd. I, S. 371, 372 und S. 213. Krm.