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Von dieser Hefe wird in den Bier erzeugenden Ländern wohl viel
gewonnen; allein es wird davon auch so viel verbraucht, daß dennoch
oft Mangel daran entsteht und die Weißbrotbäckerei jedenfalls von
der Biererzeugung abhängig bleibt, was nicht nur zeitweilig Unan
nehmlichkeiten hervorruft, sondern auch in den Betrieb des erstern
Gewerbes störend eingreift. Gegen den Gebrauch der Bicrunterhefe
zu diesem Zwecke herrscht nnbegreiflicherweise noch viel Vorurtheil.
Zn Ländern, wo daher weniger Bier erzeugt wird oder wo diese
Erzeugung nur zu gewissen Jahreszeiten Statt hat (z. B. in Baiern),
wo also wenig oder gar keine Bierhefe für diese Verwendung zur
Verfügung steht, war man längst darauf bedacht, künstliche Gährungs-
mittel aufzusuchen und anzuwenden; ja in einigen Ländern (z. B.
Italien) wird sogar Weißbrot aus uugegohrenem, gebrühtem Mehl
teige erzeugt. Entweder bestehen diese künstlichen Gährmittel in einer
Art Sauerteig, oder in g ähren dem Mchlteige, oder auch
in einer gährenden Malzwürze. In den vorhandenen Werken über
Bäckerei findet man eine Menge Vorschriften zur Erzeugung und
Fortpflanzung solcher künstlicher Gährmittel oder sogenannter
Zeuge; sie ertheilen aber dem Gebäck theils einen Nebengeschmack
oder fie wirken nicht kräftig genug, daher jeder Bäcker lieber
zur wirklichen Hefe greift, wenn er sie haben kann. Seitdem
die Bierbrauerei in und um Wien zugenommen hat und dadurch mehr
Bierhefe erzeugt wird, haben die Wiener Bäcker den Gebrauch des
Zeuges zur Weißbrotbäckerei verlassen und find auf jenen der Bier
hefe übergegangen.
Hier will ich mich nicht bei der Betrachtung der Erzeugung und
Wirkung der verschiedenen Zeuge und künstlichen Gährmittel aufhal
ten; meine Absicht ist vielmehr zu zeigen, auf welche Weise man sich
wirkliche Hefe erzeugen könne, um davon vorkommenden Falls Ge
brauch zu machen; denn die Hefe selbst bleibt immer das wirksamste
und beste Gährungsmittel dazu. Nebenbei will ich bloß bemerken,
daß so wie bei der Fortpflanzung des Sauerteigs für die Schwarz
brotbäckerei, auf ähnliche Weise auch ein gährender Mehlteig für die
Weißbrotbäckerei, in welchem man die Gähruug durch Erkältung un
terdrückt und durch Erwärmung wieder belebt, so wie auch durch öf
teres Zukneten von frischem Teige zeitweilig erneuert, als Gähruugs-
mittel dienen könnte. Wenigstens wäre dieses Verfahren ganz analog
der Bereitung der-Kunsthefe für die Branntweinbrennerei.
In der zweiten Beziehung, die Qualität der Hefe be
treffend, kann die gewöhnliche Preßhefe ebensowenig als die