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auf 12 Stunden reducirt, wird aus dem vollen Gradirfasse so viel
Essignt abgezogen und in das halb volle gebracht, bis dieses aufgefüllt
ist, dagegen wieder das erste Gradirfaß 24 Stunden halb voll gelassen,
und dieses Umfüllen wird in gleichen Zeitabständen so oft wiederholt,
bis die Essigbildung vollendet ist. Hat man mehre zusammengehörende
Gruppen von Gradirfässern, so werden sie am besten in zwei paral
lelen Reihen neben einander aufgestellt; unter ihre Ablaßröhren wer
den Rinnen von Holz gelegt, welche das abgezogene Essiggut in ein
tiefer stehendes Reservoir leiten, von wo es mittelst einer hölzernen
Pumpe wieder in die halb entleerten Gradirfässer aufgepumpt und in
denselben gleichmäßig vertheilt wird. Die bald entleerten Fässer wer
den jedesmal bedeckt. Der Vorgang und die Erscheinungen bei diesem
Verfahren sind nun folgende: Wenn die Weinkämme mit der alkohol
haltigen Flüssigkeit getränkt sind und die letztere davon zum Theil
abgezogen wird, so tritt atmosphärische Luft von Außen an deren
Stelle und kommt mit den benetzten Spänen demnach mit dem Essig
gute mittelst einer sehr großen Oberfläche in Berührung. Die Oxyda
tion desselben beginnt anfangs langsam, nach mehrmaligem Umstechen
des Essigntes ist sie aber im vollen Gange; eine beträchtliche Selbst
erwärmung in den Gradirfässern tritt ein; hebt man den Deckel ab,
so steigt Dampf ans dem Gradirfasse auf, dessen Geruch ein stechend
saurer ist. Diese Selbsterwärmnng muß genau beobachtet werden; denn
läßt man sie zu weit fortschreiten, so schlägt die Essigbildung um, wenn
bereits aller den Weinkämmen anhängende Alkohol umgewandelt ist;
es tritt sehr bald faulige Gährung ein, welche auch die Kämme ergreift;
der saure Geruch verschwindet, der Essig ist verdorben, der ganze
Inhalt des Gradirfasses verloren und dasselbe muß neu hergerichtet
werden. In dem Maße, als die Essigbildnng fortschreitet, findet diese
Erwärmung in immer kürzern Zeitabschnitten Statt, und muß demnach
das Umfüllen der Flüssigkeit darnach gerichtet werden, theils um dem
Umschlagen des Processes zuvorzukommen, theils um denselben nicht
unnöthigerweise zn verzögern. Der practische Essigfabrikant richtet
sich hierbei bloß nach den äußern Merkmalen, besonders nach dem
Grade des Dämpfens der Gradirfässer und nach der Art ihres
sauren Geruches. — Ein drittes, zuverlässigeres Beobachtnngsmittel
hierbei wäre die stetige Ermittelung der Zunahme der Temperatur
mittelst eines dazu geeigneten, in jedem Gradirfasse angebrachten Ther
mometers, und müßte, wenn die beobachtete Temperatur jedesmal eine
gewisse, durch Erfahrung für jede Größe der Gradirfässer zn ermit
telnde Grenze, z. B. 30" R., erreicht hat, das Umfüllen des Essiggutes