Man sieht, daß der größere Alkoholgehalt des Weins, wenn
dieser nicht etwa durch künstlichen Zusatz in denselben gebracht
wurde, auch die zweite und vierte Bedingung in sich schließt,
welche man von einem guten Weine verlangt.
ad 2. Die Beachtung des Säuregehaltes im Wein hat in
der neueren Zeit insofern ein erhöhtes Interesse gewonnen, als
Or. Lüdersdorfs und Prof. Hlubek nachzuweisen sich be
mühten, daß der Handelswerth der Weine nicht im geraden
Verhältnisse stehe mit ihrem Alkoholgehalte, sondern ohne Rück
sicht auf diesen, im verkehrten Verhältnisse mit ihrem Säure
gehalte, d. h. je weniger Säure ein Wein enthält, desto größer
sei sein Handelswerth.
Es ist ohne Zweifel richtig, daß ein Wein, welcher weni
ger Säure enthält, einen milderen und angenehmeren Geschmack
besitzen wird, als ein anderer, der einen größeren Säuregehalt
hat; allein es erscheint der vorstehende Ausspruch in der Form,
wie er hingestellt ist, keineswegs genügend, zur Beurtheilung
und Bestimmung der Güte und der Handelswerthe der Weine.
Wäre dieß der Fall, so müßte jeder saure Wein durch Ver
dünnung mit Master bester werden, weil dadurch der Säurege
halt desselben auf eine größere Masse Flüssigkeit vertheilt —
jedoch zugleich mit dem Alkoholgehalte — relativ kleiner würde.
Niemand wird dieß aber für eine Verbesserung des Weines er
kennen wollen.
Vorne S. 21 und 22 habe ich nachgewiesen, daß die be
kannten geschätztesten und im größten Handelswerthe stehenden
Weine, z. B. die der Jahrgänge 1802, 1811, 1819, 1822, 1825
von vollkommen ausgereiften Trauben, aus Most von den größten
Coucentrationen oder von den größten Zuckergehalten erzeugt
waren, und da der daraus gewonnene Wein specifisch leichter
wird als Wasser, auck vor allen anderen Jahrgängen den größten
Alkoholgehalt besitzen mußten.
Hiernach würde also der ursprüngliche Zuckergehalt des
Mostes, oder was dasselbe sagen will, der Alkoholgehalt
der Weine allerdings auch die Güte oder ihren Handelswerth
mitbestimmen. In der That geben nur vollkommen ausge
reifte Trauben von guten Sorten, in guten Jahrgängen und
Lagen die besten Weine. Der Saft dieser Trauben enthält
aber neben einem größeren Gehalt an Zucker einen geringeren