Schon bei Betrachtung der Bedingungen zur Essigbildung
S. 193 wurde von den Essigfermenten gesprochen und dieselben
dort namhaft gemacht, in dem Sinne, als man dieselben bisher
betrachtete. Ausser dem Essig selbst und dem Platinmohr, wel
cher jedoch bis jetzt im Grossen zur Essigfabrikation nicht an
gewendet wurde, giebt es eigentlich kein Essigferment; einige
Kleber enthaltende Stoffe, die man gewöhnlich als solche nennt,
sind dazu nicht unbedingt erforderlich, und selbst diese wirken
nicht als Fermente ähnlich der Hefe, sondern nur zur Beförde
rung der Verbindung des Sauerstoffes der Luft mit einem Theile
des Wasserstoffes im Alkohol. Alle anderen, gewöhnlich zu den
Essigfermenten gezählte Substanzen wirken nur insofern, als sie
Essigsäure enthalten oder mit Essig getränkt sind.
Für ein besonders wirksames Essigferment hielt man in frü
herer Zeit die sogenannteEsigmutter, welche sich unter Um
ständen besonders aus schwachem Essig als eine schleimige,
aufgequollene, häutige Masse aussondert. Neuere Untersuchungen
haben aber gelehrt, dass sie vielmehr schon ein Product der
Umsetzung des Essigs ist, und dass in dem Maasse, als sie sich
in demselben vermehrt, sein Gehalt an Essigsäure abnimmt.
Demnach bringt sie der Essigfabrikation, wenn sie entsteht, nur
Nachtheil und nicht Vortheil. Der näheren Betrachtung dieses
merkwürdigen Körpers, die Resultate der neuesten Untersuchungen
von Mul der über denselben enthaltend, haben wir daher einen
eigenen Absatz gewidmet.
Da nun aber der Essig selbst sich unter allen Umständen als
das kräftigste Essigferment erwiesen hat, so entsteht wohl billig
die Frage: In welcher Art wirkt dabei der Essig und inwiefern
gebührt ihm dabei der Name eines wirklichen Essigferments ?
Diese Frage mit Sicherheit zu beantworten dürfte wohl noch
eine Unmöglichkeit sein; allein es sei mir erlaubt, eine Ansicht
darüber auszusprechen.
Der Alkohol übergeht nicht auf einmal, sondern durch
mehrere Zwischenstufen in Essigsäure, wovon man den Ueber-
gang desselben in Aldehyd und den dieses Körpers in Essigsäure
deutlich nachweisen kann; es ist aber noch unbestimmt, ob sich
das Aldehyd, bevor es in Essigsäure übergeht, nicht erst noch
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