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dem Maasse nämlich, als der Alkoholgehalt der Flüssigkeit zu
nimmt, nimmt ihr Vermögen, den Weinstein aufgelöst zu er
halten, ab.
Der rohe Weinstein enthält daher doppelt weinsteinsaures
Kali, weinsauren Kalk, Weinhefe, Pigment, Extractabsatz und
fremde Körper, die beim Abziehen des Jungweins auf die Lager-
fässer mechanisch mitgefolgt sind, als: Schalen, Theilchen der
Stängel u. s. w. Man unterscheidet rothen und weissen Wein
stein. Der erstere ist röthlich und scheidet sich aus den rothen
Weinen; er enthält etwas Färbestoff aus denselben; der letztere
aus weissen Weinen ist schmutzigbraun oder graugelb.
Der Wein veredelt sich beim Lagern aus mehrerlei Ursa
chen, und zwar:
1) weil sich durch die Nachgährung desselben der Alkohol
gehalt etwas erhöht;
2) weil sich der Weinstein, ein saures Salz, welches dem
Jungweine einen säuerlichen Geschmack ertheilt, aus demselben
ausscheidet;
3) weil sich der Jungwein klärt und alle darin mechanisch
schwebenden Hefentheilchen vollkommen absetzen;
4) weil sich erst beim Lagern die Blume oder das Bouquet
des Weines ausbildet, welches oft den Werth des Weines beim
Verkaufe bestimmt. Davon wird noch später die Rede sein.
Wein, welcher lange in hölzernen Gebinden aufbewahrt
wird, erleidet noch eine andere Verbesserung in seinen Eigen
schaften, welche von einer Verminderung seines Volumens be
gleitet ist. Deshalb wird es nöthig, solchem Weine öfters nach
zusehen und die Gefässe aufzufüllen, wenn er nicht sauer oder
schimmelig werden soll. Diese Verbesserung beruht auf der
Porosität des Holzes und der daraus resultirenden Fähigkeit,
blos das Wasser aus dem Weine an der innern Fläche aufzu
saugen und an der Aussenfläche zu verdunsten, wodurch der
Alkoholgehalt im Weine relativ zu-, sein Wassergehalt aber ab
nimmt. Die Ursache dieser Verbesserung des Weines war lange
Zeit unbekannt, bis Sömmering nachwies, dass, wenn man
Wein in mit Blase verbundene Gefässe einschliesst, derselbe
unter gleichen Erscheinungen in wenigen Monaten sich so ver
edelt, wie in hölzernen Gebinden in mehreren Jahren. Die
Blase dünstet nämlich an ihrer Oberfläche blos Wasser aus und