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Neuerer Zeit bedienen sich die Champagnerwein-Fabrikanten
in Frankreich einer wässerigen nur schwach alkoholischen Auf
lösung von Katechu, welche sie dem Champagnerwein in der
Periode der Klärung in den Fässern zusetzen, damit sich die
Weine abklären und verhindert werden zu spinnen.
Der dadurch entstehende Niederschlag ist nicht so stark ge
färbt und so reichlich, wie der mit einer geistigen Auflösung
der Galläpfel erzeugte, und die Weine klären sich mit ersterem
viel besser und schneller. Ausserdem kömmt die Katechu-Flüs-
sigkeit auch viel wohlfeiler zu stehen.
Das Spinnen der Weine ist eine von einem Uebermaass
schleimiger Bestandtheile, Pectin, Pflanzenleim &c. herrührende
Krankheit. Diese Substanzen verdicken sich mit der Zeit, machen
den Wein spinnend wie Oel und ertheilen ihm einen unange
nehmen Geschmack, weshalb es ehedem nicht möglich war, den
Champagner lange aufzubewahren. Heutzutage aber könne er
mit Hilfe der Klärung durch Gerbesäure beliebig lange aufbe
wahrt werden. So entstand ein besonders für die Champagne
wichtiger neuer Erwerbszweig, nämlich die Fabrikation und der
Verkauf von Gerbstofflösungen. (Dingler’s Journal Band 106
S. 304 und 451.)
Das Abziehen in Flaschen geschieht etwa Anfangs März.
Manchmal schon nach 14 Tagen, oft auch erst in mehreren Mo
naten wird der Wein schäumend, was noch von mehrerlei Zu
fälligkeiten und Umständen abhängig sein soll. — Die Pfropfe
der Flaschen werden mit starkem Bindfaden (Spagat) an den
Hals festgebunden und die Flaschen in kühle Keller auf gemau
erte Abzüge horizontal neben und über einander, die obere
Lage immer in verkehrter Richtung gegen die untere, bis zu
einer Höhe von 5 bis 6 Fuss geschichtet. Die Gährung schrei
tet in den Flaschen fort, die Menge des gebildeten kohlensauren
Gases nimmt zu, und in den Monaten Juli und August hat die
ses in mehreren Flaschen so zugenommen, dass dieselben dem
Druck von Innen nicht zu widerstehen vermögen, sondern zer
springen. Gewöhnlich wird der Boden der Flaschen herausge
sprengt, daher man denselben, um ihm mehr Festigkeit zu geben,
nach Innen zu spitzig macht. Der dadurch eintretende Verlust
an Wein und Flaschen ist beträchtlich, und betrug früher 30
— 40, jetzt 6 — 10 pCt., seitdem man der Anfertigung der