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— Die Erde und ihr Mond. —
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meistens, statt sie als Erdfinsternis oder Sonnenbedeckung zu be
zeichnen, der Name Sonnenfinsternis gewählt wird.
244. Die Finsternisse als Zeichen. — Die meisten der
ältesten Völkerschaften sahen die Mondfinsternisse und die sog.
Sonnenfinsternisse als übernatürliche Erscheinungen oder sog. Zeichen
an und fürchteten sich vor denselben a , — ja es wurde sogar in
früherer Zeit ein Versuch, die Finsternisse natürlich erklären zu
wollen, als ein strafbares Eingreifen in die Befugnisse der Götter
angesehen b . Dass solche irrige Ansichten bei einem primitiven Zu
stande entstehen konnten, ist begreiflich, und schädlich waren sie
am Ende nicht, sondern hatten sogar einige Male gute Folgen®;
dagegen ist es allerdings beschämend, noch in verhältnismässig später
Zeit und bei sog. Kulturvölkern ähnlichem, ja fast noch krasserem
Aberglauben zu begegnen d .
Zu 244: n. In „Fontenelle, Entretiens (ed. 1761 p. 57) u liest man, dass
in ganz Ostindien der Glaube herrsche, es bedrohe zur Zeit einer Finsternis
ein bösartiges Ungeheuer das betreffende Gestirn; man sehe zu solcher Zeit
die Flüsse voll Inder, die bis an den Hals im Wasser stehen, weil sie diese
Stellung für sehr andächtig und für geeignet halten, um die Gestirne zu ver
anlassen, sich tapfer zu verteidigen. — Bei andern Völkern war es Übung,
einen Höllenspektakel zu machen, um das Ungetüm zu verscheuchen, — oder
auch die Brunnen zu bedecken, um sie vor Vergiftung zu schützen. — b. So
soll Anaxagoras (Klazomense 500 — Lampsakos 428; jonischer Philosoph und
Lehrer von Perikies; vgl. „Fragmenta, coli. Ed. Schaubach. Lipsise 1827 in 8. u )
wegen einer Schrift über die Ursachen der Mondfinsternisse mit dem Tode be
droht worden sein. Doch wird schon von Pythagoras angenommen, dass er
diese Ursachen gekannt habe, — und dann allerdings wieder von dem viel
spätem Posidonius (Apamea in Syrien 135 — Born 50; Mathematiker, Astronom
und Staatsmann auf Rhodus und in Rom; Lehrer von Cicero) behauptet, dass
er einer der ersten Griechen gewesen sei, welche sich darüber klar wurden. —
c. In „H. J. Klein, Die Sonnen- und Mondfinsternisse. Kreuznach 1870 in 8.“
wird erzählt: „Im Jahre 584 v. Chr. traf für einen Teil Kleinasiens eine totale
Sonnenfinsternis ein, als sich eben die Lydier und Medier eine Schlacht lieferten.
Die erschreckten Heere Hessen vom Kampfe ab und die Fürsten schlossen
Frieden. Zum Andenken an diese Begebenheit wurde eine grosse Darstellung
der Finsternis in den benachbarten Felsen eingemeisselt. Diese Felsenskulpturen
hat in neuerer Zeit Texier bei dem Dorfe Boghaskoci im nordwestlichen Kappa-
docien wieder aufgefunden, doch wurden sie erst von Barth, der sie später
besuchte, als mit der genannten Finsternis in Verbindung stehend, erkannt“.
Es hat so der Aberglaube nicht nur einem Blutvergiessen Einhalt gethan,
sondern eine noch für die heutige Theorie der Moudbewegung nicht unwichtige
Thatsache auf uns gebracht. — Anhangsweise mag daran erinnert werden,
dass Columbus durch Ankündigung einer Mondfinsternis auf 1504 III 1 den
Bewohnern von Jamaika hinlänglich zu imponieren wusste, um sie zur Liefe
rung von Proviant zu veranlassen. — d. So erzählt Arago, dass noch im
17. Jahrhundert (wahrscheinlich 1654, wo sich nach Fontenelle viele Leute in