200 — Oie sog. Präcession der Nachtgleicheü. — 441
Zu 200: (f. Die früher in das Gebiet der Sage verwiesene Angabe, dass
Hipparch durch einen neu aufleuchtenden Stern zur Anlage seines Kataloges
veranlasst worden sei, ist durch den chinesischen Bericht von einem im Jahre
134 v. Ohr. erschienenen neuen Stern im Skorpion vollständig rehabilitiert
worden. — b. Da Ptolemäus im Almagest (Ed. Halma II 10) ausdrücklich
Timocharis nennt, so ist wohl die von manchen gemachte Angabe, es habe
Hipparch die Präcession durch Vergleichung seiner Beobachtungen mit den
jenigen von Eudoxus gefunden, ganz unhaltbar. — c. Auch Ptolemäus kam
zu ähnlichen Resultaten, indem er (II 26) aus ’zwei Bedeckungen eines Sternes
im Skorpion durch den Mond, welche Timocharis im Jahre 292 v. Chr. zu
Alexandrien und Menelaus im Jahre 99 n. Chr. zu Rom beobachtet hatten,
herausrechnete, dass die Länge dieses Sternes in 391 Jahren um 3° 55', oder
in 100 Jahren nahe um 1° gewachsen sei, — ja liess sich durch die Über
einstimmung verleiten, die 36" nicht nur als untere Grenze, sondern als wirk
lichen Betrag der jährlichen Präcession anzusehen und (II 30) zur Reduktion
der Sternpositionen auf eine andere Epoche zu empfehlen. Dass Ptolemäus bei
Konstruktion des in den Almagest aufgenommenen Sternkataloges hievon auch
selbst weitgehenden Gebrauch machte, lässt sich kaum bezweifeln; dagegen
ist die durch Delambre (Hist. I) erhobene Anklage, derselbe habe seinen Katalog
einfach mit Hilfe der angenommenen Präcession aus dem Hipparch’schen ab
geleitet und dann in unredlicher Weise, als auf neuen Beobachtungen beruhend,
ausgegeben, mutmasslich eine viel zu weit gehende, und es hat auch in neue
ster Zeit C. H. Peters (A. N. 2803 von 1887) mit Erfolg dieselbe zu entkräften
versucht. — d. So z. B. wollte Bailly die Entdeckung den Chaldäern zu
schreiben, weil dieselben nach dem Zeugnisse von Albategnius die nahe richtige
Länge 365 11 6 h ll m des siderischen Jahres gekannt und dennoch ihrem bürger
lichen Jahre nur 365 t / 4 d gegeben haben, — oder sogar den Persern, weil sie
behaupteten, die Welt werde 12000 Jahre dauern, so dass jedem Zeichen 1000
Jahre zukommen, was mit einer Präcession von 3° per Jahrhundert in Rapport
stehen dürfte, — etc. Biot glaubte die Kenntnis der Präcession auch bei den
alten Chinesen zu finden, während nach Delambre (Hist. I 372) erst der im
3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. lebende Astronom Yu-Hi von derselben spricht
und ihr noch den rohen Wert von 1° in 50 Jahren beilegt. Etc.
*401. Die neuern Bestimmungen und die sog. Xutation.
— Als Albategnius die von ihm um 879 ermittelten Sternpositionen
mit den Angaben des Almagest verglich, erhielt er für die Prä
cession den bereits gegenüber Ptolemäus einen wesentlichen Fort
schritt konstatierenden Wert von 1° in 66 Jahren oder 55" per
Jahr, — und um 1260 leitete Nassir-Eddin den Betrag von 1° in
70 Jahren oder von etwa 51" per Jahr ab, an welchem die Neuzeit
nahezu festhalten konnte a . Wir werden später (514 und 609) auf
diese neuern und neuesten Bestimmungen, sowie auf die betreffenden
theoretischen Untersuchungen und die Ermittlung des Einflusses
der Präcession auf die Sterncoordinaten eingehend zurückzukommen
haben, und wollen hier nur zur vorläufigen Orientierung einerseits
beifügen, dass die Präcession durch die Mechanik des Himmels als
eine notwendige Folge der Abplattung der Erde erwiesen, sowie