Full text: Mit zwey Kupfertafeln (Erster Theil)

ZWEYTES KAPITEL. 
Präcession und. Nutation. 
§. i. 
Schon Hipparch, der erste Astronom des Alterthums , der 
um das Jahr 140 y. Chr. zu Alexandrien lebte, bemerkte , als er 
seine eigenen Beobachtungen mit den 160 Jahre früheren des 
Timo charis verglich, dafs die Länge aller Fixsterne mit 
der Zeit gleichförmig zunehme, ohne dafs dabey ihre Breite 
geändert wird. Ptolemäus, der um das Jahr i 3 o n. Chr. in 
derselben Stadt beobachtete , nahm diese Zunahme der Länge 
gleich einem Grad für hundert Jahre an. Da diese Veränderung 
der Länge für alle Sterne gleich grofs ist, und die Breite der 
selben ungeändert. bleibt, so kann man diese Erscheinung dadurch 
darstellen, dafs man annimmt, die Aequinoctialpunkte bewegen 
sich in der unveränderlichen Ebene der Ecliptik in hundert Jah 
ren um einen Grad rückwärts, oder in einer der jährlichen 
Bewegung der Sonne entgegengesetzten Richtung. Auch die 
Schiefe der Ecliptik ist, wie aus den Beobachtungen der neuern 
Astronomen, mit denen der Alten verglichen, folgt, einer wie 
wohl beynahe hundertmal langsamem Abnahme unterworfen. 
Endlich fand Br a d 1 ey, vielleicht der gröfst e Beobachter der 
neueren Zeiten, dafs die beyden vorhergehenden gleichförmi 
gen Veränderungen der Lage des Aequinoctialpunktes und der 
Schiefe der Ecliptik beträchtlichen Störungen unterworfen sind , 
die aber in wiederkehrende kurze Perioden von nahe 18 Jahren 
eingeschlossen sind. Das erste regelmäfsig mit der Zeit fortge 
hende Zurückgehn der Aequinoctien nennt man die Präces 
sion der Nachtgleichen, so wie die regelmäfsige Verän- 
derung des Winkels der Ebene des Aequators , mit der der Eclip 
tik die säculäre Abnahme der Schiefe der Ecliptik, und 
endlich die periodischen Störungen beyder Bewegungen die 
N u t a t i o n. 
Ohne Hülfe der höheren Analysis und der Mechanik ist es 
unmöglich , von diesen Erscheinungen strenge Rechenschaft zu 
geben. Wir werden sie indessen hier so weit auseinander zu
	        
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