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I. Teil. Allgemeine Methode und Reaktionen.
messer aufnehmen kann. Übung und Erfahrung sind ohne Zweifel
unerlässliche Vorbedingungen schneller und erfolgreicher Arbeit, doch
wird ein Chemiker, der von Zeit zu Zeit das Mikroskop benutzt hat,
ohne Schwierigkeit im Laufe einiger Wochen die wichtigeren mikro
chemischen Reaktionen durchprobieren können und alsdann in der
Lage sein, den Anforderungen zu genügen, welche ich glaube stellen
zu müssen. Dies Durchprobieren der Reaktionen halte ich für un-
erläfslich; Abbildungen und Beschreibungen können niemals die un
mittelbare Anschauung und die Beobachtung des Verlaufes einer
Reaktion ersetzen. Wer ohne derartige Vorbereitung mikrochemische
Untersuchungen ausführen will, wird wenig Aussicht auf Erfolg haben,
und wird gewifs mit unsicherem Umhertappen viel mehr Zeit und
Arbeit verlieren, als er zu ersparen meinte.
In der Sammlung mikrochemischer Reaktionen von Element
und Renard und ebenso in Strengs Anleitung 1 ) zu mikrochemischen
Versuchen stöfst man auf bedauerliche Lücken; u. a. findet man keine
Reaktion, mittelst deren man Cadmium neben Zink, Nickel neben
Kobalt erkennen kann, und was schlimmer ist, mehrere der aufgeführten
Reaktionen lassen viel zu wünschen übrig. Ich habe mich damit be
gnügt einige der Mängel anzudeuten, weil es mir wichtiger scheint,
die Gesichtspunkte darzulegen, welche nach meiner Meinung bei der
Wahl mikrochemischer Reaktionen als mafsgebend gelten müssen.
1. Ein Minimum von Substanz. Von dieser Forderung ist
die mikrochemische Analyse ausgegangen. Um derselben in weitestem
Umfange gerecht zu werden, reicht man indessen nicht mit Ver-
gröfserung der Objecte aus. Um mit Hundertteilen, in einigen Fällen
selbst mit Millionteilen eines Milligramms (Chlor, Magnesium, Platin,
Thallium) arbeiten zu können, ist grofse Empfindlichkeit der Reaktionen
nötig. Die Empfindlichkeit einer mikrochemischen Reaktion kann
durch Zusammenwirken mehrerer Faktoren gesteigert werden, durch
geringe Löslichkeit des charakteristischen Reaktionsprodukts, durch
groises Molekularvolumen desselben und mindestens ebensosehr
durch seine Fähigkeit grofse Krystalle zu bilden; endlich kommt für
die Erreichung des höchsten Grades von Empfindlichkeit auch mög
lichste Kleinheit der Probetropfen in Betracht, oder, mit anderen Worten,
möglichst weit getriebene Konzentration von Substanz und Reagens.
1) Anleitung zum Bestimmen der Mineralien. Giefsen, 1890.