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XII. Cyanverbindungen.
4. Cyanwasserstoff entstellt beim Durchschlagen elektrischer
Funken durch ein Gemisch von Acetylen und Stickstoff sowie bei
Einwirkung der dunklen elektrischen Entladung auf ein Gemisch von
Cyangas und Wasserstoff oder des elektrischen Flammbogens
(zwischen Kohlenspitzen) auf Stickstoff und Wasserstoff.
A. Cyan und Cyanwasserstoff.
Cyan, (CN) 2 , Dicyan. Entdeckt von Gay-Lussac 1815.
Bildungsweisen. 1. Entsprechend dem Vorkommen in den
Hochofengasen durch direkte Vereinigung von Kohlenstoff
(Holzkohle oder Ruß) und Stickstoff (stickstoffhaltige inerte
Gase) hei höherer Temperatur.
2. Als Nitril der Oxalsäure aus oxalsaurem Ammoniak
durch Abspaltung von Wasser (mittels Phosphorsäureanhydrid),
desgleichen aus dem Zwischengliede dieser Reaktion, demOxamid
(S. 279):
C 2 0 2 (0NH 4 ) 2 - 4H 2 0 = C 2 N 2 ; C 2 0 2 (NH 2 ) 2 - 2H 2 0 = C 2 N 2 .
3. Durch Glühen von Silber- oder Quecksilbercyanid:
Hg(CN) 2 = Hg -J- (CN) 2 ; ferner auf nassem Wege durch Er
hitzen einer Lösung von Kupfervitriol mit Cyankalium (Dar
stellung; B. 18, R. 321):
2CuS0 i + 4KCN = 2CuCN +2K 2 S0 4 -f (CN) a .
Farbloses, eigentümlich stechend und an bittere Mandeln
erinnernd riechendes Gas von enormer Giftigkeit. Spez. Gew. 1,8.
Relativ leicht kondensierhar. S.-P. des flüssigen Cyans —21°.
Sm.-P. — 34°. Brennt mit purpurn gesäumter Flamme. Löst
sich in V* Vol. Wasser, leichter in Alkohol. Die Lösungen färben
sich beim Stehen dunkel unter Ausscheidung eines braunen
Pulvers („Azulmsäure“), während in der Lösung Oxalsäure, da
neben Ammoniak, Ameisensäure, Cyanwasserstoff und Harnstoff
nachweisbar sind.
Die Bildung der Oxalsäure und des Ammoniaks beruht auf nor
maler Verseifung, die der Ameisensäure auf einer Verseifung sekundär
entstehender Blausäure. Bei Gegenwai t einer geringen Menge Aldehyd
entsteht durch glatte Wasseraufnahme Oxamid. Cyan verbindet sich
mit erhitztem Kalium zu Cyankalium und löst sich in Kalilauge zu
Cyankalium und cyansaurem Kali. Mit Schwefelwasserstoff liefert es
die Thiamide Flaveanwasserstoff, NC.CS.NH 2 , und Rubeanwasserstoff,
NHj.CS.OS.NH 2 .