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XII. Cyanverbindungen.
wird als Düngemittel verwendet („Kalkstickstoff:“). Liefert, mit
kaltem Wasser ausgezogen, Cyanamid (s. v. S.), mit warmem
Wasser Dicyandiamid (s. u.), mit überhitztem Dampf Calcium
carbonat und Ammoniak, beim Schmelzen mit Kohlenstoff und Soda
oder Kochsalz Natriumcyanid. (Verwertung des atmosphärischen
Stickstoffs.)
Auch vom Cyanamid leiten sich zwei isomere Arten von Alkohol
derivaten ah, indem Wasserstoff gegen Alkyl ersetzt wird.
I. Methyl-, Äthyl - cyanamid entsteheji z. B. aus Monomethyl- usw.
-sulfoharnstoff. Diäthylcyanamid, CN 2 (C 2 H 6 ) 2 , aus Bromcyan und Di
äthylamin oder einfacher aus Cyanamidnatrium und Jodäthvl. Durch
Säuren wird es zu Kohlensäure, Ammoniak und Diäthylamin verseift;
es besitzt daher die unsymmetrische Konstitution N=C—N(0 2 H 6 ) 2 .
II. Andere Cyanamidderivate (zumal in der aromatischen Reihe
bekannt) leiten sieh von einem hypothetischen Isomeren des Cyan
amids NH=C=NH, dem Carbodiimid, ab, z. B. Carbodiphenylimid,
C(NC 6 H 5 ) 2 . Sie werden gleichfalls durch Kochen mit Säuren in
Kohlensäure und Amin gespalten. Weiteres s. J. pr. Ch. (2) 79, 513.
Polymere. Dicyandiamid, Param, Gyanguanidin, NH=C<^j‘ 2 ^
(Konstitution, B. 26, 1583). Darstellung aus Kalkstickstoff s. o. und
B. 42, 4534. Flache Nadeln oder Prismen. Bei stärkerem Erhitzen
bildet es wie das Cyanamid Melam, C c H 9 , ein weißes, in Wasser
unlösliches Pulver, welches auch durch stärkeres Erhitzen von Sulfo-
cyanammonium entsteht und durch Behandlung mit Schwefelsäure in
Melamin übergeht.
Melamin, Gyanuramid, C 3 N 6 H 6 (Liebig 1838), bildet glänzende,
rhombische, in Alkohol und Äther unlösliche Oktaeder. Es besitzt
basische Eigenschaften. Durch Kochen mit Säuren wird successive Amid
gegen Hydroxyl ersetzt unter Bildung von Ammeiin, (CN) 8 (NH 2 ) 2 OH,
Ammelid, (CN) 3 (NH 2 )(OH) 2 , und schließlich Cyanursäure, (CN) 3 (OH) 3 .
Melamin hat daher die Konstitution (ON) 3 (NH 2 ) 3 ; B. 25, 538.
Das Melam ist ein Imid des Melamins, entsprechend der Formel
[(CN) 3 (NH 2 ) 2 ] 2 NH, und geht durch Ammoniak in Melamin über.
F. Anhang. Die Isomerien der Cyangruppe.
Wie dargelegt, leiten sich von der Blausäure, der Cyansäure,
der Sulfocyansäure und dem Cyanamid sowie von den bezüglichen
Polymeren jedesmal zwei Klassen isomerer Alkoholderivate ab, die
sich durch ihre Spaltungsprodukte scharf unterscheiden. Dieselben
entsprechen eigentlich je zwei isomeren Muttersubstanzen („Nor-