Abegg vertretene, wonach das neutrale NH 3 mit einer Neben- oder Kontra
valenz H bindet, das positiv geladen ist und ein negatives Chlorion anzu
lagern vermag. Nach Werner sollen sich bei den Nebenvalenzen keine
elektrischen Ladungen betätigen, nach Ab egg soll das durch Kontravalenz
gebundene H eine negative Ladung, die entsprechende Bindungsstelle des
N eine positive Ladung besitzen. In beiden Fällen müßte das vierte H
anders gebunden sein als die drei Wasserstoffe im Ammoniak, und man
müßte erwarten, bei Substitutionen des Wasserstoffs in NH 4 C1 durch ein
einwertiges Radikal R — CH 3 , C 2 H 5 , C 6 H 5 u. a. m. — zwei isomere Substitu
tionsprodukte zu erhalten, die den Formeln NH 2 R-HC1 und NH 3 -RC1 ent
sprächen. Da solche Isomerien nicht bekannt sind, müssen wir schließen,
daß die vier H-Atome im Ion NH 4 in gleicher Weise an N gebunden sind.
Werner will seine Formel durch folgendes Argument stützen: HCl ist
stark dissoziert, H 2 0 dagegen äußerst wenig, diese Eigenschaften bleiben
erhalten, wenn man Ammoniak addiert und Chlorammonium NH 3 HC1 bzw.
Ammoniumhydroxyd NH 3 — H 2 0 entstehen. Dabei berücksichtigt er nicht,
daß die Dissoziations-Konstante des Ammoniaks (23 • IO 6 ) diejenige des
Wassers bei 25° um etwa das 10 u fache übertrifft. Die Unzulänglichkeit
der Wern ersehen Betrachtungsweise erhellt auch daraus, daß der Disso
ziationsgrad einer schwachen Säure, z. B. Essigsäure, sehr stark durch die
Addition des NH 3 steigt, wenn man sie statt Salzsäure zur Neutralisation be
nutzt. Eine Base wie Tetramethylammoniumhydroxyd (CH 3 ) 4 NOH gehört
sogar zu den stärksten Basen und ihr Dissoziationsgrad ist ähnlich dem der
Salze, obwohl sie nach Werner als Additionsprodukt des Trimethylamins
(K = 74-10‘ 6 ) zu Methylalkohol, der wahrscheinlich weniger als Wasser
dissoziert ist, angesehen werden muß. (Im Vorbeigehen möge bemerkt
werden, daß ein ähnlicher Schluß von Werner, wonach Tetrahydroxylamin
platinhydrat eine andere Konstitution besitzen soll als das entsprechende
Chlorid (HOH 2 N) 4 PtCl 2 , weil das eine sehr wenig, viel weniger als ein
Alkalihydroxyd, das andere sehr stark elektrolytisch dissoziert ist — daß
ein solcher Schluß wohl wenig begründet ist. Man könnte in analoger Weise
von jeder schwachen Säure, z. B. von Essigsäure, schließen, daß sie wesent
lich anders konstitutiert ist als ihre Salze, d. h. daß die Lagerungsweise der
Atome verschieden ist).
Wir können also nichts anderes annehmen, als daß im Ammonium-Ion,
wie es in wässeriger Lösung vorhanden ist, vier gleichgestellte positive
Wasserstoffatome mit vier negativ geladenen Valenzstellen des Stickstoffs
verbunden sind, der außerdem eine positive Ionenladung trägt. Nun deutet
vieles darauf hin, daß die Valenzen schon vor der Verbindung existieren.
So z. B. habe ich gefunden, daß die nicht dissozierten Natriumhydrat-Mole